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Psychological Test and Assessment Modeling

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Published under Creative Commons: CC-BY-NC Licence


Leid-Erleben ist häufig inkongruent und erhöht die Überlebenschancen

"Die Einschätzung seelischen Leids spiegelt Glanz und Elend psychiatrischer Diagnostik wider. Immer besteht die Gefahr, dass sich der Untersucher im seelischen Labyrinth verirrt." Im Versuch einer mehrperspektivischen Orientierung hat der Psychiater Friedel M. Reischies ein fiktives interdisziplinäres Kolloquium aufgezeichnet: Zu Wort kommen ein Psychopathologe, ein Neurobiologe, ein Evolutionsbiologe, ein Vitalist, ein Logiker. Hat etwa in der Entwicklungsgeschichte das Leid-Erleben dem Menschen Überlebensvorteile beschert?

Logiker: "Wir kennen einfache Lebewesen, die Aktivierungs-Reaktionen auf Leidsituationen haben. Es ist anzuzweifeln, dass sie Leid erleben können. Es muss naturgeschichtlich einen Übergang gegeben haben zur anderen Seite - zur Seite mit den ersten Lebewesen, die elementares Notfall-Leid erleben. Das Funktionsprinzip Erleben von Leid und Freude muss sich entwickelt haben."

 

Der Neurobiologe erläutert: "Eine Veränderung des Leid-Erlebens ist besonders für die sich mitentwickelnde Kognition im Cortex erkennbar. Die differenzierte und hocheffiziente kortikale Kognition übernahm vom adaptierenden Netzwerk die Handlungssteuerung. In der Ausdifferenzierung der Kognition keimte der Vorteil für die höhere Handlungssteuerung, vor allem mit der Aufmerksamkeitssteuerung. Mit der internen Reaktion auf den Zustand ´selbst-negativ´ erwuchs ein Imperativ für den Organismus, die Aufmerksamkeit auf die Gefahrensituation zu lenken."

 

Dabei sind auslösender Notfall und Leiderleben alles andere als kongruent. Der Psychopathologe: "Leiderleben ist nicht eine Wahrnehmung von negativen Sachverhalten. Unser empfundener Schmerz bildet nicht die Art und Schwere einer Gewebeverletzung ab. Die Leidreaktion ist interindividuell variabel und variiert zwischen leidvollen Situationen."

 

Ob die Schlussfolgerung des Psychopathologen mehr als eine optimistisch gefärbte Hypothese ist, mag der Leser beurteilen: "Das unbewusste Bestreben jedes Lebewesens ist - nach der Regel der Evolution - das Überleben und damit das Überleben der Art. Für das Lebewesen wird die Vermeidung von Leiden das Ziel. Nicht mehr nur die Abwendung von Unfruchtbarkeit und Sterben - survival of the fittest - ist Ziel der Optimierung. Die Anpassung an die negativen Seiten der Umwelt wird gleichsam übersetzt in ´Ich will Leid nicht erleben´." Leid-Erleben erhöht damit die Überlebenschancen.

 

Friedel M. Reischies: Leid-Erleben - ein Fundament der Psychopathologie.
Pabst, 2021, 128 Seiten. Hardcover

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