Bei einem paranoiden Charakter fällt v.a. "unter psychischer Anspannung die Unterscheidung zwischen innerer Vorstellungswelt und äußerer Wahrnehmungswelt schwer. Elementarer Teil des Lebensgefühls sind diffuse Ängste und eine allgemeine innere Gespanntheit. Ein paranoider Charakter weiß nie, wem er trauen kann. Die tiefe Unsicherheit bezüglich der Feindseligkeit seiner Umgebung korrespondiert mit einer elementaren Selbstunsicherheit.
Diese kann zum einen Kompensation durch Größenideen erfahren, etwa zu Unrecht verfolgt zu werden, mutig Tabus zu brechen oder gegen große Gefahren anzukämpfen. Zum anderen findet die eigene Unsicherheit Ausdruck in primitiven Abwehrmechanismen, von denen jeder einzelne weiter zur Entfremdung von der Realität beiträgt. Die erzeugte subjektive Gegenrealität wird als unbezweifelbar real erlebt.
Wichtigster Abwehrmechanismus des paranoiden Charakters ist die Projektion: Hier externalisiert der Mensch eigene, aus Angst entstehende und zugleich Angst machende aggressive Impulse, die er der Außenwelt zuschreibt. Auf diese Weise werden dann etwa Familien, die aus nachvollziehbaren Gründen geflüchtet sind, zu Kriminellen umgedeutet; die eigenen Lügen finden einen Widerhall im Vorwurf der ´Lügenpresse´ oder eigene Gewaltphantasien werden auf ´Rapefugees´ umgelenkt.
So wie in der Innenwelt des paranoiden Charakters aggressive Impulse rigide abgespalten und nach außen abgeleitet werden, besteht auch eine Tendenz, die Außenwelt binär aufzuteilen, etwa in Gut oder Böse. Das Äquivalent dieses Abwehrmechanismus ist das Schwanken zwischen verklärender Idealisierung und krasser Entwertung ..."
"Psychologie & Gesellschaftskritik" (Ausgabe 181/182) analysiert in sieben Einzelbeiträgen mehrperspektivisch das Thema "Wutbürger". Es reicht bis zu Größenphantasien in den USA und den Planungen der Trump Wall ...
Psychologie & Gesellschaftskritik 2022-1/2 (181/182)
WUTBÜRGER
46.Jahrgang, Nr. 181/182, Heft 1/2-2022