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Psychologie & Gesellschaftskritik

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Weltgeschichte der Psychologie: Wie Wissenschaftler der "Dritten Welt" an ihrer indigenen Psychologie arbeiten

In seiner "Weltgeschichte der Psychologie" verdeutlicht Hannes Stubbe einerseits wesentliche Unterschiede der Kulturen und anderseits gleichzeitig die "psychische Einheit der Menschheit". Weltweit entwickeln sich in kulturell unterschiedlichen Ausformungen Intelligenz, Kognition, Wahrnehmung, Emotion, Motivation: immer anders und immer vergleichbar.

Die psychologische Fachwelt in Deutschland nimmt die Psychologie fremder Kulturen kaum wahr, kritisiert Stubbe
Beispielhaft nennt er das aktuelle Lehrbuch "Einführung Klinische Psychologie" als "Musterbeispiel einer ahistorischen, kultur- und sozialblinden, ethnozentrischen Darstellung".  Zu den spezifischen Problemen der Diagnostik und Therapie mit MigrantInnen wird wenig geforscht und wenig gelehrt. Die Autoren der gängigen deutschsprachigen Lehrbücher ignorieren das Themenfeld - und damit etwa 20% der Bevölkerung in Deutschland.

 

Der Euro/USA-Zentrismus der Psychologie ist allerdings kein spezifisch deutsches, sondern ein ehemals weltweites Phänomen. In Japan z.B. sieht Stubbe eine deutliche Entwicklung:

 

- Translating and Modelling: Vor und nach dem Ersten Weltkrieg wissenschaftlicher Import aus Deutschland, USA, England. Die Einflüsse der Gestaltpsychologie und der Schule von Wilhelm Wundt dominierten.

- Indigenization:  Seit dem Ersten Weltkrieg begannen japanische Psychologen, die sich in der eigenen und der euro-amerikanischen Psychologie auskennen, neue Konzepte und Theorien zu implementieren.

- Integration: Allmählich befreit sich die psychologische Fachwelt von rigiden westlichen Denkmustern und befasst sich mit eigenen Phänomenen.

 

Die japanische Psychologie emanzipiert sich immer stärker und adaptiert zunehmend die eigene Kultur, beispielsweise:

Der japanische Psychoanalytiker Takeo Doi (1973) hat herausgearbeitet, dass das Konzept von Amae eine auf Japan beschränkte Form der interpersonalen Erlebens- und Verhaltensweise sei, für deren Deskription und Erklärung nur die japanische Sprache die Grundlage bilden könne. Amae könne man als ´gegenseitiges Bedürfnis nach Freiheit in Geborgenheit und Abhängigkeit´ umschreiben. Mit Amae sei ein zentraler Aspekt der japanischen Mutter-Kind-Beziehung gemeint. Die Mutter begegne ihrem Kind mit einem Höchstmaß an Nachsicht und Fürsorge, wobei es aber dem Kind möglich werde, sich weitgehendst frei zu entwickeln. Die japanische Mutter erlebe sich dabei nicht als ´überbehütend´, sondern als Gewährsleisterin von Freiheit. Doi beschreibt  diese Form von Freiheit als ein Kernelement des japanischen Selbst und stellt die kritische Frage, ob die westliche Bindungstheorie mit ihrer Charakterisierung von ´sicheren und unsicheren Typen´ auf die japanische Kultur übertragbar sei."

 

Der japanische Psychiater Shoma Marita entwickelte das nach ihm benannte, im Buddhismus verankerte Behandlungsverfahren für Neurosen: Die Therapie zielt darauf ab, den Patienten durch verbale Instruktionen und gesteuerte Aktivitäten davon zu überzeugen, dass er seine Symptome als Teil der täglichen Realität akzeptiert. Der Patient lernt, mit seiner Schüchternheit, Angst und Anspannung ein konstruktives Leben zu führen.

 

Detailreich beschreibt Hannes Stubbe, wie Psychologen in den verschiedenen asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern längst begonnen haben, ihre jeweils eigene indigene Psychologie und Psychotherapie zu entwickeln.

 

Stubbe, Hannes: Weltgeschichte der Psychologie

Pabst, 2021, 660 Seiten, Hardcover

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