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Psychologie & Gesellschaftskritik

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2021-1 (177)

Inhaltsverzeichnis


Editorial

Gerhard Benetka
The hidden presence. Einige Bemerkungen zur Tradition des Reaktionszeitversuchs in der Psychologie

Marlin von Christen
Im Westen nichts Neues. Vom Zeitkern der ewigen Gegenwart und der Herrschaft des Immergleichen

Sebastian Giacovelli
Erwartungsprämissen und das Zeitdenken in der Klimadebatte

Julius Metzler, Anna Schor-Tschudnowskaja & Gregor Wasicky
Einstellungen junger Menschen zu Lebensverlängerung: Eine Pilotbefragung zu Lebenszeitperspektiven und Zukunftsbildern

Corinna Poholski
Rahmen für die Bilder der Flucht. Reflexionen aus der Praxis einer psychoanalytischen Malgruppe für Kinder in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete
 


The hidden presence. - Einige Bemerkungen zur Tradition des Reaktionszeitversuchs in der Psychologie
Gerhard Benetka

Der Text rekonstruiert die Geschichte einer vor allem für die spätere kognitive Psychologie zentralen Methode: die Geschichte des Reaktionszeitversuches. In diesem Forschungsparadigma geht es darum, psychische Vorgänge in ihrem zeitlichen Verlauf sichtbar und damit auch messbar zu machen. Die in verschiedenen experimentellen Settings erzeugten Fakten geben Zeugnis davon, dass irgendetwas, irgend ein der unmittelbaren Beobachtung entzogener Prozess vonstattengeht; sie legen aber nicht fest, worum es sich dabei handelt: um aktuell ablaufende psychische Vorgänge, um aktualisierte ›Spuren‹ vergangener Vorgänge oder gar um die Vorbereitung künftiger Vorgänge. Nicht einmal das ist klar: ob das, was gemessen wird, überhaupt ein psychischer Vorgang ist.

Schlagwörter: Reaktionszeitversuch; Subtraktionsmethode; Wortassoziationen, Libet-Experiment Bereitschaftspotential, Veto-Funktion des Bewusstseins; Komplextheorie


The hidden presence - Some thoughts on the tradition of reaction experiments in psychology

The text reconstructs the history of a method, central especially to the later cognitive psychology: the history of the response time experiment. This research paradigm is about making mental processes visible in their chronological sequence and thus measurable. The facts generated in different experimental settings bear witness that something – a process beyond immediate observation – is taking place. However, they do not determine the nature of this process: Does is consist of currently proceeding mental processes, updated ‘traces’ of past processes or the preparation of future processes? It cannot even be said for certain whether what is measured constitutes a mental process.

Key Words: reaction time experiment; subtraction method; memory scanning; word-associations, Libet-experiment; readiness potential; veto-function of conscious control; complex theory.


Gerhard Benetka

 


Im Westen nichts Neues – Vom Zeitkern der ewigen Gegenwart und der Herrschaft des Immergleichen
Marlin von Christen

Dass es keine dezidierte Theorie der Zeit in der Kritischen Theorie gibt, hängt wohl vor allem damit zusammen, dass eine solche zumeist nur um den Preis der Hypostase eines Einzelmoments erkauft wäre. Obwohl es sich bei Adornos Negativer Dialektik nicht um den Versuch handelt, eine prima philosophia zu entwerfen, die sich an Begriffen wie Zeit, Sein oder Nichts feierlich aufrichtet, um damit Tiefe zu suggerieren, sondern das Denken vielmehr als Vermittlung von Einzelmomenten zu dynamisieren sucht; Vernunft also weder der Beliebigkeit noch dem Dogma zu überlassen strebt, liegt ihr dennoch ein spezifischer Begriff von Zeit zugrunde. In Bezug auf Walter Benjamin formuliert Adorno diesen als Durchdringung von Theologie und Materialismus, und zugleich als Absage an ein Denken von Universalgeschichte, wie es linken oder rechten Revolutionspathos zugleich beseelt.

Schlüsselwörter: Geschichtsphilosophie – Negative Dialektik – Zeitkern – Kontinuität der Diskontinuität – ästhetische Erfahrung


Marlin von Christen

 


Erwartungsprämissen und das Zeitdenken in der Klimadebatte
Sebastian Giacovelli

Der Beitrag geht den Fragen nach, inwiefern das Phänomen des Zeitdenkens mit Sozialstruktur verbunden ist und in welchem Verhältnis in der Folge ein Wandel von Zeitdenken zu einem Wandel sozialer Strukturen steht. Hierfür wird zunächst eine erwartungstheoretische Heuristik vorgestellt, die Sozialstruktur als Erwartungsstruktur versteht. Die soziale Wirkmächtigkeit von Zukunftserwartungen besteht demnach nicht darin, sichere Zukunftsprognosen zu treffen, sondern das Handeln in der Gegenwart angesichts einer unsicheren Zukunft zu prägen. Damit sind kollektiv bindende Erwartungssetzungen, sogenannte ›Erwartungsprämissen‹, sozial machtvolle und für die gesellschaftskritische Analyse relevante Koordinationsmechanismen. Diese zunächst theoretischen Überlegungen werden abschließend mit den Formen des Zeitdenkens in der gegenwärtigen Klimadebatte illustriert.

Schlüsselwörter: Erwartungen, Erwartungsprämissen, Zukunft, Klimadebatte, sozialer Wandel


Expectation premises and concepts of time in the climate debate

This paper addresses the question of how concepts of time are linked to social structure and, subsequently, how changes of concepts of time relate to social change. For this purpose, the contribution proposes an expectation-theoretical heuristic, which understands social structure as expectational structure. Thus, the effectiveness of future expectations is not grounded on reliable forecasts for the future, but on shaping present action in light of an open future. As a result, collective-binding expectations, so -called expectation premises, have to be understood as socially powerful coordination mechanisms. Therefore, the assumption is that social criticism has to draw on the analysis of existing expectational structures. In a second step, these originally theoretical thoughts will be illustrated by various, conflicting concepts of future expectations of the climate debate.

Keywords: Expectations, expectation premises, climate debate, future, social change


Sebastian Giacovelli

 


Einstellungen junger Menschen zu Lebensverlängerung: Eine Pilotbefragung zu Lebenszeitperspektiven und Zukunftsbildern
Julius Metzler, Anna Schor-Tschudnowskaja & Gregor Wasicky

Das spezifische Wissen um die eigene Sterblichkeit wirkt sich nicht nur auf das individuelle Leben aus, sondern ist konstitutiv für Kultur und Gesellschaft. Animiert durch die zahlreichen Versprechen der modernen Naturwissenschaften, die Lebensdauer der Menschen wesentlich zu verlängern oder gar die Sterblichkeit zu überwinden, wollten wir wissen, wie dieses Versprechen von jungen Menschen aufgenommen wird. Über eine Pilotbefragung wurden die Zukunftsaussichten von Psychologiestudierenden im ersten und dritten Semester in Bezug auf den wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Biologie und Medizin und die dadurch zu erwartende Verlängerung der durchschnittlichen Lebensdauer der Menschen bzw. die durch wissenschaftliche Erkenntnisse möglich werdende Überwindung der Sterblichkeit erhoben. Es hat sich herausgestellt, dass eine wesentliche Verlängerung des Lebens großteils bereits in absehbarer Zeit erwartet wird, die Überwindung des Todes nicht. Allerdings beschäftigen nicht die Lebensdauer oder gar die Überwindung des Todes die jungen Menschen, sondern die praktische Konsequenz davon, nämlich dass sie länger alt sein werden. Ihr Zukunftsbild ist damit ambivalent: Der zuversichtliche Glaube an den wissenschaftlichen Fortschritt verbindet sich mit diversen Ängsten vor seinen Folgen.

Schlüsselwörter: Zukunftsbilder, soziale Deutungsmuster, Lebens- und Zeitperspektiven, Verlängerung des Lebens, soziale Kritik, gesellschaftlicher Wandel.


Young people's attitudes to life extension: A pilot survey on lifetime perspectives and future images

The specific knowledge about one's own mortality affects not only the individual life, but is constitutive for culture and society. Animated by the numerous promises of modern science to significantly extend the lifespan of people or even overcome mortality, we wanted to know how this promise is received by young people. The future prospects of psychology students, who are in the 1st and 3rd semester, were surveyed in terms of scientific progress in the field of biology and medicine and the resulting extension of the average lifespan of human beings or the potential for overcoming mortality by means of scientific knowledge. A substantial extension of life is expected for the most part in the foreseeable future, but the overcoming of death is not. However, not the lifespan or the overcoming of death that young people are concerned with nowadays, but the practical consequences of this, in particular that they will be older for longer. Thus their vision of the future is ambivalent: the confident belief in scientific progress is combined with various fears of its consequences.

Keywords: Social patterns of interpretation, the vision of future, time-perspective, life-perspective, extension of life, social criticism, social change.


Julius Metzler


Anna Schor-Tschudnowskaja


Gregor Wasicky

 


Rahmen für die Bilder der Flucht - Reflexionen aus der Praxis einer psychoanalytischen Malgruppe für Kinder in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete
Corinna Poholski  

Kinder, die mit ihren Familien zur Flucht gezwungen sind, verkörpern oftmals die hoffnungsvolle Zukunft. Doch nicht selten werden auch sie von den Belastungen ihrer jungen Vergangenheit eingeholt. Um ihnen und ihren inneren Bildern einen haltgebenden Rahmen zu verleihen, wird im Projekt des Psychosozialen Verbunds Rhein-Main am Sigmund-Freud-Institut in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete eine psychoanalytische Malgruppe für Kinder angeboten. Anhand ausgewählter Szenen aus den Begegnungen mit einem sechsjährigen Jungen bietet der vorliegende Beitrag einen exemplarischen Einblick in den psychoanalytischen Reflexionsprozess, der nicht nur Hinweise auf die latente Dynamik der Betreuungsbeziehung geben, sondern auch auf die Innenwelt des Jungen aufmerksam machen kann.

Schlagwörter: Kindheit und Flucht – psychosoziale Versorgung – Psychoanalytische Pädagogik– professionelle Haltung – Zeugenschaft


Framing the Images of Flight – Practical Reflections on a psychoanalytic Painting Group for Children in an Initial Reception Center for Refugees  

Children, who are forced to migrate with their families, often represent the hopeful future. However, they also suffer from the ongoing stress, experienced during their early past. The psychoanalytic painting group for children in an initial reception center as part of the project in the Psychosozialer Verbund Rhein-Main (psychosocial organization) at the Sigmund-Freud-Institute considers the significance of framing their experiences and inner images. By means of selected scenes of an encounter with a six-year-old boy, this article exemplifies the process of psychoanalytic reflection, which sheds light on the latent dynamics of the encounter, as well as on the topics of the six-year-old.

Keywords: childhood and forced migration – psychosocial care – psychoanalytic pedagogy – professional attitude – testimony


Corinna Poholski

 


Psychologie & Gesellschaftskritik
45. Jahrgang · 2021 · Heft 1 (177)

Pabst, 2021
ISSN 0170-0537
Preis: 13,- €

 

 

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