Inhaltsverzeichnis
Editorial
Maria Mesner
Reproduktion?
Karin Neuwirth
Reproduktive Gleichheit – Wie der österreichische Verfassungsgerichtshof gendergerechte Familiengründung vorangetrieben hat und die Zwei-Eltern-Prämisse obsolet werden könnte
Alina Jung, Aaron Korn, Kristina Winter & Petra J. Brzank
Vulnerabilitäten und Handlungsmacht von ungewollt Schwangeren mit Partnergewalterfahrungen: die Komplexität der Gleichzeitigkeit
Friederike Beier
Reproduktive (UN)Gerechtigkeit. Kontinuitäten und Divergenzen in der Reproduktionspolitik der Vereinten Nationen seit 1945 383
Larissa Struzyna
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Editorial
Anike Krämer, Oxana Eremin und Annalisa Mattei
Maria Mesner
Reproduktion?
Der Text beschäftigt sich in einem ersten Teil mit der Klärung des Begriffs der Reproduktion, um ihn für Sozialforschung operationalisierbar zu machen. Es werden wesentliche theoretische Zugriffe auf den Bereich der Reproduktion dargelegt und auf ihre Reichweite hin analysiert. Auf dieser Basis stellt der Text ein Theoriedefizit fest. Die Autorin schlägt zur Schließung dieser Lücke das Konzept des ›reproduktiven Arrangements‹ vor, dass es ermöglichen soll, Reproduktion als komplexes und vielschichtiges gesellschaftliches Feld zu beschreiben. Der zweite Teil zeigt exemplarisch anhand einer reproduktionshistorischen Skizze Reproduktion als gesellschaftliches Feld, in dem Achsen des Ein- und Ausschlusses verhandelt werden: Wer soll, wer darf Kinder haben? Welche Technologien sind für wen erlaubt? In welchem Umfeld sollen diese erzogen werden, welche Familienformen sind zulässig, welche nicht? Die Überlegungen setzen an bei Sexualberatungsstellen im Wien der Zwischenkriegszeit und spannen einen Bogen, der bis nahe an die Gegenwart reicht.
Schlagwörter: Geburtenkontrolle, Reproduktion, Fortpflanzung, Gegenwartsgeschichte
Karin Neuwirth
Reproduktive Gleichheit – Wie der österreichische Verfassungsgerichtshof gendergerechte Familiengründung vorangetrieben hat und die Zwei-Eltern-Prämisse obsolet werden könnte
Der Beitrag stellt die Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zur diskriminierungsfreien Durchsetzung des Rechts auf Familienleben und die Öffnung des Adoptions- und Fortpflanzungsmedizinrechts für gleichgeschlechtliche Partner*innenschaften dar. Kindeswohl und die Anerkennung sozialer Familienbeziehungen werden in der Rechtsprechung als zentrale Zielsetzung jeder Regelung betont. Dennoch behandelt das Recht hinsichtlich Abstammung und Reproduktionsmedizin nicht alle gleich. Leihmutterschaft ist weiterhin verboten, das Verbot wird im Ausland umgangen. Somit stellt sich die Frage, ob durch eine Öffnung des Familienbegriffs, etwa die rechtliche Anerkennung von mehr als zwei Elternteilen für ein Kind, die tatsächliche familienrechtliche Gleichstellung erreicht werden könnte.
Schlagwörter: Diskriminierungsfreiheit, Elternschaft, Familienrecht, Reproduktionsmedizin
Alina Jung, Aaron Korn, Kristina Winter & Petra J. Brzank
Vulnerabilitäten und Handlungsmacht von ungewollt Schwangeren mit Partnergewalterfahrungen: die Komplexität der Gleichzeitigkeit
Die Aufhebung der Binarität von Vulnerabilitäten und Handlungsmacht ist als eine feministische Aufgabe zu verstehen, der wir uns mit diesem Artikel widmen. Wir zeigen auf, welche Auswirkungen die Gleichzeitigkeit von Vulnerabilitäten und Handlungsmacht auf den Umgang mit ungewollten Schwangerschaften im Kontext von Partnergewalt haben. Der Artikel gibt zuerst einen Einblick in die Vulnerabilitätsund Subjektforschung. Daran anschließend dienen narrativ-biografische Interviews als Grundlage zur Besprechung von zwei detaillierten Fallanalysen, die wir mit der Dokumentarischen Methode analysiert haben, um das implizite Wissen der Handlungsorientierung und die normativen Rahmungen zu untersuchen. Wir argumentieren, dass Vulnerabilitäten kontinuierlich mitgedacht werden müssen, damit Subjektpositionen ermöglicht werden, aus denen anhaltende Handlungsmacht entstehen kann. Denn nur so können ungewollt Schwangere mit Partnergewalterfahrung Selbstbestimmung und Autonomie zurückgewinnen.
Schlagwörter: Ungewollte Schwangerschaften, Vulnerabilitäten, Handlungsmacht, Partnerschaftsgewalt, Dokumentarische Methode
Friederike Beier
Reproduktive (UN)Gerechtigkeit. Kontinuitäten und Divergenzen in der Reproduktionspolitik der Vereinten Nationen seit 1945
Die Vereinten Nationen spielen eine zentrale Rolle bei der Steuerung reproduktiver Gesundheit und Rechte sowie reproduktiver Arbeit. Reproduktionspolitiken sind insbesondere seit den 1970er Jahren stark durch feministische Diskurse geprägt. Gleichzeitig verfolgen internationale Organisationen staatliche und kapitalistische Interessen in der politischen Steuerung der Bevölkerung. Dieser Beitrag geht daher der Frage nach, wie die Vereinten Nationen reproduktive Rechte und Arbeit durch Reproduktionspolitiken steuern, wie sich diese Politiken transformiert haben und wie sie aus der Perspektive der reproduktiven Gerechtigkeit zu bewerten sind. Mithilfe von theoretischen und feministischen Konzepten der sozialen Reproduktion sowie der reproduktiven Gerechtigkeit werden die Auswirkungen internationaler Reproduktionspolitiken in Bezug auf die Herstellung von Ungerechtigkeit untersucht. Auf der Grundlage einer intersektionalen feministischen Policy-Analyse von UNO Dokumenten legt der Beitrag dar, inwiefern die UNO intersektionale Ungleichheitsverhältnisse und reproduktive Ungerechtigkeit hervorbringen und verschärfen.
Schlagwörter: internationale Reproduktionspolitiken, Vereinte Nationen (UNO), reproduktive Gerechtigkeit, reproduktive Rechte, soziale Reproduktion, feministische Policy-Analyse
Larissa Struzyna
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Psychologie & Gesellschaftskritik
47. Jahrgang • 2023 • Heft 4 (188)
Pabst, 2024
ISSN 0170-0537