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Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

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2019-2

Markus G. Feil & Klaus Hoffmann
Editorial

Bernd Dimmek, Tilman Kluttig & Ulrich Kobbé
Nachruf auf Heinfried Duncker

Sabine Noom, Jan-Willem van den Berg & Uta Kröger
Das „Good Lives Model“ als Ausgangspunkt der Behandlung von Sexualstraftätern: Stärken und Risiken im Blickfeld

Markus G. Feil & Katharina Furjanić
Das Unwilligenforum. Eine innovative Gruppenintervention für (therapeutisch) schwer erreichbare Hochrisiko­Probanden

Sabrina Eberhaut & Reinhard Eher
Tatverleugnung bei pädosexuellen Straftätern: Zusammenhang mit kognitiven Verzerrungen und Bedeutung für das Rückfallrisiko

Bernd Dimmek
Tagungsbericht des 33. Expertengesprächs „Psychiatrie und Recht“ am 3. September 2018 des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Aus der Balance geraten?! – Zur zunehmenden Verrechtlichung der Maßregelvollzugsbehandlung

Michael Grube
Die Psychopathy Checklist Screening Version (PCL-SV) in der Allgemeinpsychiatrie – assoziierte Patientenvariablen, aggressives Verhalten, Zwangsmaßnahmen und Therapieansätze bei Patienten einer geschlossen geführten Aufnahmestation

Hans-Joachim Traub & Jan Querengässer
Reden wir über dieselbe Maßregel? Eine Analyse regionaler Besonderheiten der Anordnungspraxis gemäß § 64 StGB
 


Das „Good Lives Model“ als Ausgangspunkt der Behandlung von Sexualstraftätern: Stärken und Risiken im Blickfeld
Sabine Noom, Jan-Willem van den Berg & Uta Kröger

Zusammenfassung

Das „Good Lives Model“ (GLM) hat sich für die Therapie von Straftätern, insbesondere Sexualstraftätern, als sehr hilfreich erwiesen und gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. In der Van der Hoeven Kliniek, einem forensisch-psychiatrischen Zentrum in den Niederlanden, wurde ein auf diesem Modell basierendes Gruppentherapieprogramm für die stationäre Behandlung von Sexualstraftätern aus dem Strafvollzug und anderen forensischen Einrichtungen entwickelt. Das Behandlungsmodul „Mein positiver Lebensplan“ bildet den Start- und Ausgangspunkt des Programms. Der Patient untersucht dabei gemeinsam mit den Gruppenteilnehmern, Therapeuten und anderen relevanten Bezugspersonen, was seine primären emotionalen Bedürfnisse sind und wie er diese auf sozial akzeptable Weise realisieren kann, ohne dabei eigenes Risikoverhalten aus dem Auge zu verlieren. Gezeigt wird, dass ein dualer Fokus in der Straftäterbehandlung – Verbesserung der Lebensqualität gemäß dem GLM einerseits und Risikomanagement nach den Prinzipien des „Risk-need-responsivity“ (RNR)-Modells andererseits – notwendig und auch gut realisierbar ist. Das ausführlich beschriebene Modul bildet die Grundlage für das Aufstellen, Ausführen und kritische Begleiten von Behandlungsplänen, in denen die für den Patienten relevanten prosozialen Zukunftsziele eine maßgebliche Rolle spielen.

Schlüsselwörter: GLM-Modell, Sexualstraftäter, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, RNR-Modell


The „Good Lives Model“ as starting point for the treatment of sexual offenders: a focus on strengths and risks

Abstract
The ‘Good Lives’ model (GLM) has proven to be very helpful in the treatment of sexual offenders and has become increasingly important in recent years. At the Van der Hoeven Kliniek, a forensic psychiatric center in the Netherlands, a group therapy program based on this model was developed for the clinical treatment of sexual offenders from prisons and other forensic institutions. The module ‘My positive life’ forms the starting point of the treatment program. With this module, the patient, together with the group participants, therapists and other relevant caregivers, examines how he can realize his primary emotional needs in a socially acceptable way, without losing sight of his own risk factors. It shows that a dual focus in the treatment of offenders – improving the quality of life according to the GLM on the one hand and risk management according to the principles of the “risk-need-responsivity” (RNR)-model on the other hand – is necessary and also feasible. The module forms the basis for formulating, executing and monitoring treatment plans in which the pro-social future goals relevant to the patient play a significant role.

Key words: GLM-model, sexual offending, forensic psychiatry and psychotherapy, RNR-model


Uta Kröger
Van der Hoeven Kliniek
Willem Dreeslaan 2
3515 GB Utrecht (NL)

 


Das Unwilligenforum. Eine innovative Gruppenintervention für (therapeutisch) schwer erreichbare Hochrisiko-Probanden
Markus G. Feil & Katharina Furjanić

Zusammenfassung

In diesem Projektbericht wird über die Entwicklung einer neuartigen Gruppen-Kurzintervention im ambulanten Setting als „work in progress“ berichtet. Adressiert werden mit ihm Probanden mit einem substantiellen Risiko erneuter schwerer Straftaten, die wenig veränderungsmotiviert sind und kaum Problembewusstsein aufweisen. Solche Probanden werden oft rasch abgeschlossen, da der Kontakt stark frustrierend ist und die innere und äußere Position der Probanden als nicht veränderbar erscheint. Durch den Versuch, konstruktiv aufeinander einzugehen, werden negative Affekte bei allen Beteiligten offengelegt und eine authentische Kommunikation und Interaktion im Sinne des Trialogs gefördert. Dadurch können in Gruppensitzungen wechselseitige Vorurteile untersucht werden, Ambivalenz kann an die Stelle von Aversion treten, was schrittweise Veränderungs- und Behandlungsmotivation und damit eine Behandlungsmöglichkeit eröffnen helfen kann, aber nicht muss. Inzwischen haben mehrere Durchläufe des Unwilligenforums stattgefunden. Neben den theoretischen und praktischen Hintergründen des Programms werden Erfahrungen und Ergebnisse präsentiert.

Schlüsselwörter: Forensische Psychotherapie; Motivation; Einsicht; Gruppenintervention; Demokratische Therapeutische Gemeinschaft; Organisationsentwicklung


The forum for the unwilling. Innovative group intervention for high-risk probands that are (therapeutically) difficult to reach

Abstract
This is a project report that gives an account about the development of a new type of short-term group intervention in an outpatient setting referred to as “work in progress”. Probands are addressed here who have a substantial risk of committing serious offences again, have a low motivation to change and exhibit little awareness of their problems. The therapy with such probands is often quickly concluded as the contact is very frustrating and the internal and external position of the probands does not appear changeable. Through the attempt to approach one another constructively, negative emotions are exposed in all participants concerned, and genuine communication and interaction are called for in the context of the trialogue. In this way, mutual prejudices can be examined in group sessions, ambivalence can take the place of aversion, which can gradually help to initialize the motivation for treatment and change, and thus open up a possibility for treatment, but not imperatively. Meanwhile, several runs have taken place among those taking part in the forum for the unwilling. Together with the theoretical and practical background of the programme, experiences and results will be presented.

Key words: forensic psychotherapy; motivation; insight; group intervention; democratic therapeutic community; organizational development


Markus G. Feil
Psychotherapeutische Fachambulanz für 
Gewalt- und Sexualstraftäter München
Bayerstr. 15
80335 München

 


Tatverleugnung bei pädosexuellen Straftätern: Zusammenhang mit kognitiven Verzerrungen und Bedeutung für das Rückfallrisiko
Sabrina Eberhaut & Reinhard Eher

Zusammenfassung

Tatverleugnung und kognitive Verzerrungen wurden an einer Stichprobe von N = 463 sexuellen Kindesmissbrauchern untersucht. Etwa ein Drittel aller Täter verleugnete die Tatbegehung vollständig, nur etwa 14% zeigten keinerlei Verleugnungstendenzen. Täter mit Kernpädophilie verleugneten am wenigsten, wiesen aber die meisten kognitiven Verzerrungen auf. Im Gesamtmodell stand Verleugnung mit einer niedrigeren Rückfallrate in Zusammenhang. Nach Berücksichtigung von a priori Risiko und Tätertypus korrelierte die Tatverleugnung allerdings nicht mehr signifikant mit einem niedrigeren Risiko. Ein günstiger Effekt von Tatverleugung für die Legalprognose kann daher – wie in manchen Studien postuliert – nicht ohne weiteres behauptet werden. Vielmehr müssen diejenigen risikorelevanten Faktoren ergründet werden, die dem Täter unter Umständen ermöglichen, seine Tat einzugestehen.

Schlüsselwörter: Verleugnung, kognitive Verzerrungen, Risiko, Rückfall, Kindesmissbraucher


Denial of offences by paedosexual offenders: its connection with cognitive distortions and importance for the risk of recidivism

Abstract
Denial and cognitive distortions were evaluated in a sample of N = 463 sexual offenders who had transgressed against minors. Approximately one third of all offenders exhibited complete denial of the offense, only 14% were full admitters. Exclusive pedosexuals were found to deny their offenses less than all other child molesters. However, they exhibited significantly more cognitive distortions compared to all other offenders. Denial was predictive for decreased sexual recidivism. However, as soon as the model was corrected for offender type and a priori risk, no such effect could be found. Denial, therefore, cannot be regarded as a protective factor for sexual re-offense risk. Moreover, possible risk relevant factors underlying the admittance of the offense must be analyzed very carefully for treatment planning.

Key words: denial, cognitive distortions, risk, relapse, child molesters


Reinhard Eher
Begutachtungsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST)
Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
Gerichtsgasse 4
1210 Wien

 


Tagungsbericht des 33. Expertengesprächs „Psychiatrie und Recht“ am 3. September 2018 des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Aus der Balance geraten?! – Zur zunehmenden Verrechtlichung der Maßregelvollzugsbehandlung
Bernd Dimmek

Zusammenfassung

Im September 2017 hat sich das 32. Expertengespräch „Psychiatrie und Recht“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Intention des Gesetzgebers, mit dem „Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften“ dem Anstieg der Unterbringungszahlen im Maßregelvollzug entgegenzuwirken, Erfolge zeigt und welche Hindernisse ggf. in der Theorie und Praxis der Maßregel zu beobachten sind. Viele der teilnehmenden Expertinnen und Experten wiesen seinerzeit darauf hin, dass mit dieser Novellierung nicht nur die Anforderungen an die Entlassungsvorbereitung und die Nachsorge für entlassene Patienten zugenommen haben. Es wurde auch die Sorge geäußert, dass damit ein deutliches Mehr an Formalismus sowohl für die Maßregelvollzugskliniken als auch für die Gerichte und Strafvollstreckungskammern verbunden sei.
Weitere rechtliche Vorgaben, wie etwa der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Untergebrachter vom 18. April 20182, warfen insbesondere bei den für den Maßregelvollzug verantwortlichen Krankenhausträgern und Klinikleitungen die Frage auf, ob eine zunehmende „Verrechtlichung“ des Maßregelvollzugs möglicherweise ein Hinweis darauf sei, dass der Maßregelvollzug Gefahr laufe, „Aus der Balance“ zu geraten. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat diese Frage daher zum Leitthema des 33. Expertengespräches „Psychiatrie und Recht“ am 3. September 2018 gewählt.
Der nachfolgende Beitrag fasst die wesentlichen Meinungen, Positionen und diskutierten Lösungsansätze zusammen. Die Reihenfolge orientiert sich an dem Programm des 33. Expertengesprächs „Psychiatrie und Recht“.

Schlüsselwörter: Justiz, psychiatrischer Maßregelvollzug


Conference Report of the 33rd Expert Dialogue “Psychiatry and Law” on 3 September 2018 of the Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Out of balance?! – On the increasing juridification of hospital order treatment

Abstract
In September 2017, the 32nd expert dialogue „psychiatry and justice“, organized by the regional authorities in Westfalia (Germany), has taken place. The expert dialogue dealt with article 63 of the German Penal Code, in an attempt to find out how it fulfills the expectations formulated by the legislative. In September 2018, some contributions complained about the increasing need for standardised documentation. There are further restrictions implied by high courts when it comes to mechanical restraints to patients in cases of emergency. There are contributions which support this tendency and others which seem to be more skeptical.

Key words: forensic psychiatry, justice


Bernd Dimmek
LWL-Akademie für Forensische Psychiatrie
Fachbereich Qualitätsentwicklung
Piusallee 7
48147 Münster

 


Die Psychopathy Checklist Screening Version (PCL-SV) in der Allgemeinpsychiatrie – assoziierte Patientenvariablen, aggressives Verhalten, Zwangsmaßnahmen und Therapieansätze bei Patienten einer geschlossen geführten Aufnahmestation
Michael Grube

Zusammenfassung

Der Psychopathy score nach Hare spielt in der Prädiktion gewalttätigen Verhaltens in der forensischen Psychiatrie und bei Gefängnisinsassen eine große Rolle. Unklar ist allerdings, in welchem Umfang der Psychopathy score oder seine Subscores in einer allgemeinpsychiatrischen Stichprobe einer Pflichtversorgungsklinik mit aggressivem Verhalten und Zwangsmaßnahmen verknüpft sind.
Um dieser Frage nachzugehen, wurden bei 338 auf die Akutstation aufgenommenen allgemeinpsychiatrischen Patientinnen – neben verschiedenen epidemiologischen und anamnestischen Variablen – der Psychopathy score und dessen drei Subscores mit der kürzeren Screening Version (PCL-SV) erfasst. Aggressives Verhalten wurde mit der Staff-Observation-Aggression-Scale-R (SOAS-R) erhoben.
1. Wie zu erwarten, war die Ausprägung der PCL-SV Summenscores in der untersuchten allgemeinpsychiatrischen Gruppe akut aufgenommener Patienten geringer als in forensisch-psychiatrischen Populationen, aber höher als in der Allgemeinbevölkerung.
2. Es konnten Patientenvariablen eruiert werden, die zu plausiblen Untergruppendefinitionen mit relativ höheren PCL-SV Summenscores führten.
3. Die Assoziation zu späterem aggressiven Verhalten und damit verbundenen Zwangsmaßnahmen war am höchsten beim PCL-SV-Subscore „Defizitäres affektives Erleben“, allerdings waren Sensitivität und Spezifität für exakte Prädiktionen eher niedrig. In der Untergruppe Suchterkrankter wurden die engsten Assoziationen beobachtet.
Trotz methodischer Mängel und eingeschränkter Generalisierbarkeit sollten höhere Werte des PCL-SV Faktors „Defizitäres affektives Erleben“ und höhere PCL-SV Summenscores bei allgemeinpsychiatrischen Patienten im Behandlungsteam zu einer Sensibilisierung für höhere Wahrscheinlichkeiten späterer aggressiver Handlungen und damit verbundener Zwangsmaßnahmen beitragen und frühzeitige Deeskalationsstrategien aktivieren.

Schlüsselwörter: Psychopathy score, Allgemeinpsychiatrie, Prädiktion, Aggressives Verhalten, Zwangsmaßnahmen


The Psychopathy Checklist Screening Version (PCL-SV) in general psychiatry – associated patient variables, aggressive behaviour, coercive measures and treatment approaches in patients in locked admission wards

Summary
The Psychopathy score by Hare plays a major role in the prediction of violent behaviour in forensic psychiatry and prison inmates. It is unclear to what extent the Psychopathy score or its subscores are associated with aggressive behaviour and coercive measures in a general psychiatric sample.
To answer this question, were assessed the Psychopathy score and its three subscores with the help of the shorter screening version (PCL-SV) in 338 in-patients on the acute ward of the general psychiatric department. In addition to various epidemiological and anamnestic variables, aggressive behaviour was assessed with the help of the Staff Observation Aggression Scale-R (SOAS-R).
1. As expected, the value of the PCL-SV total scores in the studied general psychiatric group was lower than in forensic psychiatric populations but higher than in the general population.
2. Different patient variables could be found that led to plausible subgroup definitions with relatively higher PCL-SV total scores.
3. The association to later aggressive behaviour and related coercive measures was highest in the PCL-SV-subscore “deficient affective experience”, however, sensitivity and specificity for accurate predictions were rather low. In the subgroup of addicted patients the closest associations were observed.
Despite methodological flaws and limited generalizability higher values of the PCL-SV factor “deficient affective experience” or higher PCL-SV total scores should contribute to raise awareness for higher probabilities of later aggressive behaviour and related coercive measures in the treatment team. As a consequence de-escalation strategies in this subgroup should be activated early during treatment process.

Keywords: Psychopathy score, general psychiatry, prediction, aggressive behaviour, coercive measures


Priv. Doz. Dr. med. Michael Grube
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – Psychosomatik
Klinikum Frankfurt-Höchst
Akademisches Lehrkrankenhaus der J. W. Goethe Universität Frankfurt am Main
Gotenstr. 6 – 8
65929 Frankfurt

 


Reden wir über dieselbe Maßregel? Eine Analyse regionaler Besonderheiten der Anordnungspraxis gemäß § 64 StGB
Hans-Joachim Traub & Jan Querengässer

Zusammenfassung

Länderspezifische Unterschiede hinsichtlich des Vollzuges von Unterbringungen in der Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sind bekannt. Belegungsunterschiede geben jedoch Anlass zur Vermutung, dass auch die Anordnungspraxis je nach Bundesland differiert. Auf Grundlage der Strafverfolgungsstatistik wurden alle Unterbringungsanordnungen gemäß § 64 StGB der Jahre 2010 bis 2015 analysiert und nach Bundesländern zusammengefasst.
Die mittlere 6-Jahres-Inzidenz wurde berechnet, die Untergebrachten aus Bundesländern mit hohen und niedrigen Inzidenzen gruppiert und auf Unterschiede in sozio-demographischen, juristischen und Variablen der kriminellen Vorbelastung untersucht. Zwischen den Bundesländern differieren die Inzidenzen um den Faktor 8. Insbesondere Bayern ragt mit weit überdurchschnittlichen Anordnungszahlen heraus und wurde als eigene Gruppe betrachtet. Die drei Gruppen unterscheiden sich in allen untersuchten Variablen. Die Ergebnisse zeigen, dass es im föderalen deutschen Strafsystem drastische rechtspraktische Unterschiede gibt. Es scheint systematische Unterschiede in der Bewertung der Unterbringungsvoraussetzungen des § 64 StGB zu geben, was bezüglich des Gleichbehandlungsgrundsatzes kritisch diskutiert werden sollte. In jedem Fall erscheinen generalisierte Debatten über „die“ Effektivität „der“ Maßregel gem. § 64 StGB ohne Betrachtung der länderspezifischen Besonderheiten nicht zielführend.

Schlüsselwörter: Maßregelvollzug, Entziehungsanstalt, Forensische Psychiatrie, Epidemiologie


Are we talking about the same rule? An analysis of convictions acc. to sec. 64 of the German Criminal Code within the German federal legal system

Abstract
In Germany, regional differences concerning how forensic addiction treatment according to sec. 64 of the German Criminal Code (StGB) is executed are well known and explicable by the federal legal framework. Hence, disparity between the German federal states in the figures of offenders under treatment indicate regional distinctions even in how courts handle convictions acc. to sec. 64 StGB – despite being a rule effective all over Germany. Basing upon administrative data concerning criminal prosecution, all newly convicted offenders of the years 2010 to 2015 were analyzed. For every federal state the average 6-year incidence figure of addicted offenders was computed and individuals were grouped dependent on the incidence of the federal state they originate from (high vs. low incidence). Groups were compared on variables concerning socio-demography, delinquency, jurisdiction and criminal history. Across the federal states, average incidence figures differ by factor 8. Especially Bavaria exceeds the other states and was therefore identified as a discrete group. The three groups differed in all variables. Results indicate that drastic regional peculiarities do exist within the German federal legal system. Courts seem to systematically differ in the appraisal of those requirements that must be met for a conviction acc. to sec. 64 StGB. Concerning the claim to equal treatment, this should be discussed critically. Without taking into account the regional distinctions, generalized debates on the efficacy of forensic addiction treatment can’t be considered as productive.

Key words: Measures of rehabilitation and incapacitation, addiction treatment order, forensic psychiatry, epidemiology


Jan Querengässer
Maßregelvollzugsklinik Herne
Wilhelmstraße 120
44649 Herne

 



Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
26. Jahrgang · 2019 · Heft 2

Pabst, 2019
ISSN 0945-2540
Preis: 15,- €

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