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Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

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2023-1

Inhaltsverzeichnis

 

Thomas Ross, Lutz Hiersemenzel & Dirk Hesse
Editorial


Thomas Ross, Lutz Hiersemenzel & Dirk Hesse
Alte Menschen im Justiz- und Maßregelvollzug: eine Begriffsbestimmung


Lothar Adler & Matthias Koller
Zu Prognosen im höheren Lebensalter


Dörte Berthold, Sarah Kirchmann-Kallas & Christian Riedemann
Alte Menschen im Maßregelvollzug nach § 64 StGB


Helene Seaward, Lutz-Peter Hiersemenzel & Bernice Elger
Forschungsprojekt «Agequake»: Ältere inhaftierte Personen und deren Therapieerfahrungen im Maßnahmenvollzug


Lena Hörner, María Isabel Fontao, & Thomas Ross
Socioeconomic characteristics, offences, and health status of elderly offenders: A systematic literature review


Sandra Verhülsdonk & Sylvia Hufnagel
Demenzdiagnostik in der forensischen Psychiatrie – Häufigkeit kognitiver Einschränkungen und Schwierigkeiten in der Differential-Diagnostik


Reinhard Eher, Stefan Domany & Kathrin Gaunersdorfer
Die Bedeutung des Alters für die Rückfallwahrscheinlichkeit von Tätern mit sexuell motivierten Straftaten


 

Editorial
Thomas Ross, Lutz Hiersemenzel & Dirk Hesse


 


Alte Menschen im Justiz- und Maßregelvollzug: eine Begriffsbestimmung
Thomas Ross, Lutz Hiersemenzel & Dirk Hesse

Die Zahl älterer bzw. alter Menschen im Justiz- und Maßregelvollzug vieler westlicher Industriestaaten nimmt seit mindestens zwei Jahrzehnten kontinuierlich zu. Meist wird eine Grenze von 50, 55 oder 60 Jahren für ältere bzw. alte Personen gesetzt, in Einzelfällen aber auch andere, was zu Problemen bei der Vergleichbarkeit von Studien führen kann. Dieser Beitrag arbeitet wissenschaftliche Evidenz zu den Altersgrenzen auf, anhand derer ältere von jüngeren Personen unterschieden werden. Aus einer Literaturrecherche ging hervor, dass es kaum einschlägige Untersuchungen zur Validität von Altersgrenzen im Bereich der forensischen Forschung gibt, und dass in zu vielen Fällen überhaupt keine Begründung für die Setzung spezifischer Cut-Offs angegeben wird. Es gibt aber durchaus Kriterien für die Wahl von Cut-Offs für wissenschaftliche Untersuchungen an älteren Personen, die im Justiz- oder Maßregelvollzug untergebracht sind. Welche das sind, wird in diesem Beitrag weiter ausgeführt.

Schlüsselwörter: Alter, Altersgrenze, Straftäter, Gefängnis, Forensische Psychiatrie, Maßregelvollzug


Elderly people in the justice system and in the forensic psychiatric system: a definition

Abstract
The number of older or elderly people in the judicial and prison systems of many western industrialised countries has been steadily increasing for at least two decades. Mostly, a cut-off of 50, 55, or 60 years for older or elderly people is set, but in individual cases other cut-offs are used, which can lead to problems in the comparability of studies. This article presents scientific evidence on the age limits used to distinguish older from younger persons. A literature search revealed that there are hardly any relevant studies on the validity of age limits in the field of forensic research, and that in too many cases no justification at all is given for setting specific cut-offs. However, there are indeed criteria for the choice of cut-offs for scientific research on older persons who are detained in the justice system or in a correctional facility. These criteria will be explored further in this paper.

Keywords: Age, age cut-off, older/elderly offenders, prisoners, prison/jail, forensic psychiatry


Prof. Dr. Thomas Ross 
Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
Feursteinstr. 55, D-78479 Reichenau
t.ross@zfp-reichenau.de 
thomas.ross@uni-konstanz.de 
thomas.ross@uni-ulm.de


 


Zu Prognosen im höheren Lebensalter
Lothar Adler & Matthias Koller

Generell ist bekannt, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern spätestens ab dem 50. Lebensjahr stark abfällt, nach dem 60. relevante Rückfälle selten und nach dem 70. Einzelfälle sind. Bei fixierten Perversionen scheint die Basisrate um ein Jahrzehnt verzögert abzufallen. Diese abnehmende Basisrate hat auch für die routinemäßig angewandten Prognoseinstrumente erhebliche Folgen und macht sie letztlich als empirisch gesicherte Methode für das höhere Lebensalter fragwürdig. Beobachtbar aber scheint, dass in der gutachterlichen Praxis auch im höheren Lebensalter routinemäßig weiter Gebrauch von ihnen gemacht wird. Auch intuitive Prognosen sind kaum noch und strukturierte klinische Prognosemethoden nur erschwert anwendbar. Bei im Vollzug des § 66 StGB untergebrachten Sicherheitsverwahrten und sog. Langstraflern fehlt es oft an einem prognostisch bewertbaren Lockerungsprozess. Weitere Forschung ist einmal mehr nötig, um den Anspruch einer empirisch gesicherten Prognose im fortgeschrittenen Lebensalter zu entsprechen.

Schlüsselwörter: Kriminalprognose, Alter


Prognosis in Elder Age

It is widely accepted that the probability of recidivism of offenders drops at the latest after the age of fifty, that relevant recidivism is rare after the age of sixty, and only isolated cases are reported after the age of seventy. For fixed perversions, the base rate seems to decrease similarly but with a delay of a decade. The declining base rate also has considerable consequences for the routinely applied prognosis instruments and ultimately makes them questionable as an empirically validated method for older age. However, it can be observed that they are being used continuously in expert practice even for older aged individuals. Additionally intuitive prognoses are hardly applicable and structured clinical prognosis methods are difficult to apply. In the case of persons in security detention and so-called long-time offenders housed under Section 66 of the Criminal Code, there is often a lack of a loosening process that can be assessed in terms of prognosis. Further research is once again necessary in order to meet the requirement of an empirically secured prognosis at an advanced age.

Keywords: Prognosis, elder age


Prof. Dr. med. Lothar Adler
Drei Brunnen 3
D-37077 Göttingen
ladler@t-online.de


 


Alte Menschen im Maßregelvollzug nach § 64 StGB
Dörte Berthold, Sarah Kirchmann-Kallas & Christian Riedemann

Auf Basis des demografischen Wandels und der damit verbundenen Zunahme alter Menschen in der Gesamtbevölkerung wächst in der Wissenschaft auch das Interesse an empirischen Untersuchungen älterer Delinquenter. Ältere Straffällige mit Substanzkonsumstörungen stellen hierbei eine Untergruppe dar, die bisher allerdings wenig Beachtung fand. Anhand der Daten aus der bundesweiten Stichtagserhebung 2021, an der 17 Kliniken aus 11 Bundesländern Daten bereitstellten (N = 1703), wurde versucht, diese spezielle Gruppe einmal näher zu betrachten und mit der restlichen Stichprobe der nach § 64 StGB Untergebrachten zu vergleichen. Unterschiede fanden sich in mehreren Variablen, welche jedoch aufgrund der geringen Teilstichprobe der über 60-Jährigen (n = 29) im Vergleich zur restlichen Stichprobengröße von n = 1674 nur vorsichtig interpretiert werden können. Mögliche Ursachen für die relativ geringe Zahl an alten Menschen in den Maßregelvollzügen nach § 64 StGB werden diskutiert. Insgesamt bleibt festzustellen, dass die vorliegenden Daten erste Hinweise auf Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Untergebrachten vermuten lassen, doch ein weiterer Forschungsbedarf bezüglich der speziellen Population älterer substanzkonsumierender Delinquenter wäre notwendig, um hier sichere Aussagen treffen zu können.

Schlüsselwörter: Entziehungsanstalt, Forensische Psychiatrie, Kriminalität im Alter, Substanzkonsum im Alter


Elderly people in forensic treatment in accordance with § 64 StGB (German Penal Code)

On the basis of demographic change and the associated increase in old people in the overall population, there is also growing interest in empirical studies of older delinquents in science. Older offenders with substance use disorders represent a subgroup that has so far received only little attention. Based on data collection in 11 German States (2021; N = 1703), an attempt was made to take a closer look at this special group and to compare it with the total population of those detained under § 64 of the German Panel Code. Differences were found in several variables, which, however, can only be interpreted cautiously due to the small subsample of over 60-year-olds (n = 29) in comparison to the remaining sample of n = 1674. Possible reasons for the relatively small number of old people in forensic psychiatric institutions (§ 64 of German Panel Code) are discussed. Overall, the available data suggest certain differences between older and younger inmates, but there is a need for further research with regard to the special population of older substance-using delinquents in order to be able to make reliable statements here.

Keywords: Forensic addiction treatment, offender treatment, old offenders, substance use in older age


Dörte Berthold
Psychologin (M Sc.), Psychologische Psychotherapeutin
Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen
Fachkrankenhaus für forensische Psychiatrie und Psychotherapie 
Bad Rehburg, Friedrich-Stolberg-Allee 5
31547 Rehburg-Loccum und Universität Hildesheim
Fachbereich Psychologie
Doerte.Berthold@mrvzn-badrehburg.niedersachsen.de


 

Forschungsprojekt «Agequake»: Ältere inhaftierte Personen und deren Therapieerfahrungen im Maßnahmenvollzug
Helene Seaward, Lutz-Peter Hiersemenzel & Bernice Elger


Die Zahl der älteren inhaftierten Erwachsenen ist dramatisch gestiegen. Ihr Bedarf an psychischer Gesundheitsversorgung ist besonders hoch und erfordert enorme Ressourcen der Gefängnisgesundheitsdienste. Angesichts dieser demografischen Entwicklung ist es besonders wichtig, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, um die verfügbaren Ressourcen optimal zu nutzen und die strafrechtlichen und klinischen Verläufe der erkrankten Personen positiv zu beeinflussen. Unsere Studie leistet einen Beitrag zur dringend benötigten Forschung über die psychische Gesundheit älterer inhaftierter Erwachsener und ihre Erfahrungen im Maßnahmenvollzug (Schweizer Begriff für Maßregelvollzug). Wir beleuchten ihre typischen Gesundheitsprobleme und stellen eine aktuelle Definition für diese Untergruppe vor. Darüber hinaus zeigen wir, wie die Dreiecksbeziehung zwischen Patienten, Therapeuten und Justizsystem die psychotherapeutischen Prozesse beeinflusst. Wir bestätigen frühere Annahmen, dass die Art und Weise, wie Gesundheitspersonal Zwang und Kontrolle in ihre klinische Arbeit integriert, die Erfahrungen der Patienten mit Psychotherapie verändert. Wir skizzieren aktuelle Herausforderungen in der Behandlungspraxis und schlagen Strategien vor, um die negativen Auswirkungen durch die Einbindung des Justizsystems in die Behandlung der Patienten abzumildern. Auf diese Weise können wir die Motivation der psychisch kranken Personen und die Qualität der therapeutischen Allianz erhöhen, um letztlich den klinischen und strafrechtlichen Werdegang von inhaftierten Menschen zu verbessern. Dies ermöglicht es, das Wohlbefinden der einzelnen Erkrankten zu steigern als auch die öffentliche Sicherheit zu verbessern.

Schlüsselwörter: Alt, Gefängnis, Straftäter, Gefängnisgesundheitsdienste, Doppelrollenkonflikt, Transparenz


Project «Agequake»: Older persons in custody and their therapeutic experiences

The number of older incarcerated adults has dramatically risen. Their mental health care needs are particularly high, requiring vast resources of prison health services. With their exponential growth, it is particularly important to improve existing health care, in order to use available resources optimally, and to increase the criminal and clinical outcomes of patients. Our study contributes to much-needed research on the mental health of older incarcerated adults and their experiences with court-ordered interventions. We highlight their typical health problems and present current definitions for this subgroup. In addition, we show how the justice system’s involvement significantly influences psychotherapeutic processes. Further, we confirm previous assumptions that the way healthcare professionals integrate coercion and control into their clinical work alters patients’ experiences with psychotherapy. We outline current challenges in treatment practice and suggest strategies to mitigate the negative effects of external pressures from the involvement with the justice system. Doing so permits to increase patient motivation and the quality of the therapeutic alliance to ultimately improve the clinical and criminal justice trajectory of incarcerated patients. This leads to an increase of the well-being of individual patients as well as of public safety.

Keywords: Old, prison, offender, prison health care, dual loyalty, transparency


Helene Seaward
helene.seaward@unibas.ch


 


Socioeconomic characteristics, offences, and health status of elderly offenders: A systematic literature review
Lena Hörner, María Isabel Fontao, & Thomas Ross

The proportion of older people in forensic institutions and prisons has increased in recent decades. This is associated with special challenges. The aim of the present study was to identify and summarize relevant findings from the last ten years on these groups of people. The study focused on sociodemographic and criminological characteristics, and the health status of older offenders in forensic hospitals and the correctional system. A systematic literature search was conducted, and 32 studies were selected. In most studies, the age cutoff for older individuals was 50+ years. The majority of individuals included in the studies were White and African American, single, divorced, or separated. Low socioeconomic status was common. Serious (violent) offenses were frequently reported as the reason for incarceration or placement. Older prisoners or those housed in forensic hospitals often have severe psychological and physical health conditions. This work shows that action is required to meet the needs of the increasing population of older persons in prison and forensic hospitals.

Keywords: Older offenders, prison, forensic psychiatry, sociodemographic and criminological characteristics, mental health, physical health


Sozioökonomische Merkmale, Straftaten und Gesundheit von älteren Straftätern: ein systematisches Literaturreview

Der Anteil älterer Menschen in forensischen Einrichtungen und Gefängnissen hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Damit sind besondere Herausforderungen verbunden. Ziel der vor liegenden Studie war es, relevante Befunde der letzten zehn Jahre zu diesen Personengruppen zu identifizieren und zusammenzufassen. Im Fokus der Untersuchung waren soziodemographische und kriminologische Merkmale sowie die Gesundheit älterer Straftäter in der forensischen Psychiatrie und im Gefängnis. Es wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt und 32 Studien eingeschlossen. In den meisten Studien betrug der Altersgrenzwert für ältere Personen 50+ Jahre. Die Mehrheit der in die Studien eingeschlossenen Personen waren Weiße und Afroamerikaner, alleinstehend, geschieden oder getrennt lebend. Niedriger sozioökonomischer Status war häufig. Als Inhaftierungs- bzw. Unterbringungsgrund wurden häufig schwere (Gewalt)straftaten genannt. Ältere Gefangene bzw. in forensischen Krankenhäusern Untergebrachte haben häufig schwere psychologische und körperliche Gesundheitsprobleme. Diese Arbeit zeigt den Handlungsbedarf, der sich aus der Zunahme älterer Menschen in Haft und Unterbringung ergibt.

Schlüsselwörter: Ältere Straftäter, Gefängnis, forensische Psychiatrie, sozio-demographische Merkmale, Delikte, psychische Gesundheit, körperliche Gesundheit


Dr. María Isabel Fontao
Fachbereich Psychologie
Universität Konstanz
maria.fontao@uni-konstanz.de


 

Demenzdiagnostik in der forensischen Psychiatrie – Häufigkeit kognitiver Einschränkungen und Schwierigkeiten in der Differential-Diagnostik
Sandra Verhülsdonk & Sylvia Hufnagel


Entsprechend der Zunahme älterer Bundesbürger im Rahmen des demographischen Wandels ist auch mit einer Zunahme älterer Patienten in forensisch-psychiatrischen Institutionen zu rechnen. Internationale Arbeiten unterstreichen einen erhöhten Hilfebedarf dieser Patientengruppe aufgrund altersassoziierter Veränderungen sowie komplexer psychischer Erkrankungen. Daneben scheinen verschiedene Risikofaktoren für die Entwicklung demenzieller Syndrome gehäuft vorzuliegen. Die Frage nach der Prävalenz demenzieller Syndrome bleibt für die forensische Psychiatrie in Deutschland bislang unbeantwortet. Vor diesem Hintergrund wurde in Abteilungen des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) eine Pilotstudie an über 60-jährigen nach § 63 StGB untergebrachten Patienten durchgeführt. Insgesamt nahmen 34 forensische Patienten an der Erhebung teil. Für das globale kognitive Leistungsniveau zeigte ein Großteil der Stichprobe über das Altersmaß hinausgehende Beeinträchtigungen. Die Prävalenz dieser Defizite liegt deutlich über der Prävalenz solcher Einbußen, wie sie für die Allgemeinbevölkerung dokumentiert sind. Auf Basis dieser Daten werden die Notwendigkeit einer regelmäßigen kognitiven Leistungsüberprüfung sowie Besonderheiten in der Differentialdiagnostik diskutiert.

Schlüsselwörter: Demenz, kognitive Beeinträchtigung, kognitive Defizite, forensische Psychiatrie


Diagnosis of dementia in forensic hospitals – frequency of cognitive impairments and difficulties in differential diagnostics

In line with the increase of older German citizens in the context of demographic change, an increase of older patients in institutions for the treatment of psychiatric disorders is to be expected. International work underlines an increased need for help of this patient group due to age-associated changes as well as complex mental illnesses. In addition, various risk factors for the development of dementia syndromes seem to be more frequent. The question of the prevalence of dementia syndromes remains unanswered for the prison system in Germany. Against this background, a pilot study was conducted in departments of the Landschaftsverband Rhineland (LVR) on patients over 60 years of age and housed according to § 63 StGB (German Penal Code). A total of 34 forensic patients participated in the survey. For global cognitive performance level, a large proportion of the sample showed impairments beyond the age measure. The prevalence of these deficits is significantly higher than the prevalence of such impairments as documented for the general population. Based on these data, the need for regular cognitive performance
testing and specifics in differential diagnosis are discussed.

Keywords: Dementia, cognitive dysfunctions, cognitive impairment, forensic psychiatry


Dr. rer. nat Sandra Verhülsdonk
Gerontologin M.Sc./Forschungs AG „Gerontologie und Delinquenz“, 
Gerontopsychiatrische Institutsambulanz
LVR-Klinkum – Kliniken der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf, Moorenstr. 5
D-40225 Düsseldorf, Germany
sandra.verhuelsdonk@lvr.de


 

Die Bedeutung des Alters für die Rückfallwahrscheinlichkeit von Tätern mit sexuell motivierten Straftaten
Reinhard Eher, Stefan Domany & Kathrin Gaunersdorfer

Ein höheres Lebensalter geht grundsätzlich mit einer Reduktion kriminellen und insbesondere gewalttätigen Verhaltens einher. Ob dies auch für die Begehung sexuell motivierter Straftaten zutrifft, wird kontrovers diskutiert. In unserer Studie untersuchten wir Entlassungskohorten inhaftierter Straftäter mit sexuell movierten Delikten und setzten das Alter bei Deliktbegehung und das Alter bei Entlassung mit den Rückfallraten in Zusammenhang. Unsere Ergebnisse zeigen, dass zunehmendes Alter nicht mit einer allgemeinen Reduktion der Rückfallraten für sexuell motivierte Delikte einhergeht, sehr wohl aber mit einer Abnahme allgemein
gewalttätiger Delikte. Insbesondere traf dies für die Gruppe der sexuellen Kindesmissbraucher zu. Lediglich in der Altersgruppe ab 55 Jahren kam es in der Gruppe der Vergewaltiger zu einer deutlichen Abnahme sexuell motivierter Rückfälle. Unsere Ergebnisse stützen die in der forensischen Fachwelt verbreitete Ansicht, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit für neuerliche Sexualdelikte bei Sexualstraftätern kaum vom Alter beeinflusst wird. Insbesondere bei Tätern mit Sexualdelikten an Kindern ist daher Vorsicht geboten, selbst wenn das Alter mit einer Reduktion allgemein kriminellen und gewalttätigen Verhaltens einhergeht.

Schlüsselwörter: Alter, Sexualtäter, Rückfall, Risiko, Risikoeinschätzung


Age and Reoffense Rates of Individuals Convicted for Sexual Offenses

Age of offenders is known to be associated with a reduction of general und violent recidivism rates. However, the relationship between age and risk for further sexual offending in sexual offenders is less clear. In our study on a large number of prison-released sexual offenders we found no reduction of sexual offending as age increases. The only exception were rapists, who were found to have significantly lower sexual reoffense rates when aged 55 years and older. Therefore, although general and violent recidivism rates tend to decrease with increasing age of perpetrators, this effect could not be found for sexual recidivism. Consequently, age and aging in sexual offenders is not a general protective factor for sexual reoffending, in particular not for individuals convicted for child sexual abuse.

Keywords: Age, sexual offenders, recidivism, risk, risk assessment


Prof. Dr. Reinhard Eher
Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
Universität Ulm und Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST)
Bundesministerium für Justiz, Gerichtsgasse 4, 1210 Wien 
reinhard.eher@justiz.gv.at

Stefan Domany, BA
Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST)
Bundesministerium für Justiz, Gerichtsgasse 4, 1210 Wien
stefan.domany@justiz.gv.at

Mag. Kathrin Gaunersdorfer
Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) 
Bundesministerium für Justiz, Gerichtsgasse 4, 1210 Wien
kathrin.gaunersdorfer@justiz.gv.at

 


Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
30. Jahrgang · 2023 · Heft 1
Pabst, 2023
ISSN 0945-2540

 

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