Inhaltsverzeichnis
Klaus Hoffmann, Bernd Dimmek, Reinhard Eher, Markus G. Feil, Michael Günter, Dirk Hesse, Lutz-Peter Hiersemenzel, Tilman Kluttig, Uta Kröger, Jutta Muysers & Thomas Ross
Editorial
Arne Boysen, Ralf Dreisigacker, Marit Frey, Janine Gehrig, Bettina Hackenbroch-Hicke, Christian Hartl, Frank Häßler, Christopher Künzel, Anja Malmendier-Muehlschlegel, Christian Perler, Ulrich Preuss, Renate Schepker, Christian Schlögl, Ralf Steck, Wolfgang Weissbeck, Markus Wild & Kerstin Wollny
Forensische Transitionspsychiatrie im Jugendmaßregelvollzug
Falk Burchard & Andreas Schulze
Jugendforensische Patienten in der KJP Klinik Marsberg zwischen 2010 und 2022 – ein Bericht aus der Praxis
Kory Niehaus, Thomas Ross, & María Isabel Fontao
Der Zusammenhang von subklinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalttätigkeit: Eine systematische Übersichtsarbeit
Kory Niehaus, Thomas Ross, & María Isabel Fontao
Der Zusammenhang von klinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalttätigkeit: Eine systematische Übersichtsarbeit
Ibrahim Özkan, Antje Harder-Kasten & Dirk Hesse
Betriebliche psychologische Ersthelfende
Editorial
Klaus Hoffmann, Bernd Dimmek, Reinhard Eher, Markus G. Feil, Michael Günter, Dirk Hesse, Lutz-Peter Hiersemenzel, Tilman Kluttig, Uta Kröger, Jutta Muysers & Thomas Ross
Forensische Transitionspsychiatrie im Jugendmaßregelvollzug
Arne Boysen, Ralf Dreisigacker, Marit Frey, Janine Gehrig, Bettina Hackenbroch-Hicke, Christian Hartl, Frank Häßler, Christiopher Künzel, Anja Malmendier-Muehlschlegel, Christian Perler, Ulrich Preuss, Renate Schepker, Christian Schlögl, Ralf Steck, Wolfgang Weissbeck, Markus Wild & Kerstin Wollny
Zusammenfassung
Bei der Behandlung von psychisch kranken Straftätern im Maßregelvollzug ist zu berücksichtigen, dass sich Jugendliche und Heranwachsende in einer signifikanten Lebensphase befinden, in der die Basis für adaptives Funktionieren im Erwachsenenalter gelegt wird. Ihre Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben unterscheiden sich deutlich von denen von Erwachsenen, was sich auch in den Anforderungen an den Jugendmaßregelvollzug widerspiegelt. Der Jugendmaßregelvollzug beinhaltet eine Kombination von medizinischen, therapeutischen, erzieherischen und rehabilitativen Aufgaben. Ziel ist dabei Deliktfreiheit und Resozialisierung, wobei die Herausforderung darin besteht, diese alters- und reifeadäquat umzusetzen. Besonders bedeutsam sind hierbei unter anderem die bauliche und personelle Ausstattung. So muss der Jugendmaßregelvollzug ein Feld für soziales Lernen sein, das die Möglichkeit zur Beschulung, Berufsausbildung und Lernen von Freizeitgestaltung bietet, gleichzeitig aber den notwendigen Sicherheitsvorgaben entspricht. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es eines multidisziplinären Teams, das sich aus den für den Maßregelvollzug üblichen Berufsgruppen, pädagogisch geschulten sowie kinder- und jugendpsychotherapeutischen Fachkräften zusammensetzt. In der multimodalen Behandlung werden die allgemein gültigen Leitlinien und Standards der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie als auch deliktspezifische Interventionen berücksichtigt.
Schlüsselwörter: Jugendmaßregelvollzug, Jugendforensik, forensische Transitionspsychiatrie, § 7 JGG
Forensic Transition Psychiatry in the Forensic Treatment of Young People
Abstract
While treating mentally ill criminals in forensic units it is necessary to bear in mind that adolescents are in a crucial developmental phase in which the foundation for their adaptive functioning in adulthood is built. Their needs and develomental tasks differ significantly from those of adults, this also translates to the demands made on the adolescent forensic units. Adolescent forensic psychiatry combines medical, therapeutic and educational interventions to accomplish the aim of rehabilitation and a crime-free life. The challenge here lies in obtaining these goals in a way, that is appropriate to the age and level of maturity of the patients. Especially important amongst other things are structural and human resources. Every adolescent forensic unit should be a place for social learning and should offer the opportunity for schooling, professional training and exploring leisure activities all while fulfilling the necessary safety requirements. To fulfill all these demands a multiprofessional team is required, containing occupational groups and professionals common for forensic units, who are trained in pedagogy and child and adolescent psychotherapy. In the multimodal treatment the common guidelines and standards of the society for child and adolescent psychiatry and psychotherapy are taken into consideration as well as delict specific interventions.
Key words: Adolescent forensic psychiatry, adolescent forensic, forensic transition psychiatry, § 7 JGG
Korrespondenzadresse: wolfgang.weissbeck@pfalzklinikum.de
Jugendforensische Patienten in der KJP Klinik Marsberg zwischen 2010 und 2022 – ein Bericht aus der Praxis
Falk Burchard & Andreas Schulze
Zusammenfassung
In der kinder- und jugendpsychiatrischen LWL-Klinik in Marsberg werden auch forensisch untergebrachte männliche Jugendliche in einem gesonderten Bereich auf insgesamt 24 Plätzen im Rahmen des Jugendmaßregelvollzugs behandelt. Die überwiegend nach den §§ 63 und 64 StGB untergebrachten Jugendlichen durchlaufen dabei ein – meistens über mehrere Jahre dauerndes – gestuftes Therapie- und Lockerungsprogramm, das von einer gesicherten Aufnahmestation bis hin zu einer extramuralen gelockerten Trainingswohnung reicht. Der Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik bietet dabei einen Entwicklungsraum, der für die Erfordernisse der adoleszenten Entwicklung im Hinblick auf das Ziel der gesellschaftlichen Resozialisierung optimiert ist. Der vorliegende Artikel fokussiert auf die praktische Arbeit in der Jugendforensik Marsberg – im Überblick zwischen den Jahren 2010 und 2021– und liefert damit im Sinne eines Werkstattberichts einen Einblick in den Alltag der therapeutisch-pflegerischen Arbeit mit den Jugendlichen und Heranwachsenden. Hierbei zeigt sich: Erfolgreiche Arbeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen braucht Zeit. Die Sozialisation in den jugendforensischen Stationen ist für einen großen Anteil der Jugendlichen die erste strukturierte Sozialisation überhaupt und ermöglicht das bewusste Nachholen wichtiger Entwicklungsschritte. Die Patienten werden in Abhängigkeit ihres jeweiligen Umgangs mit aggressivem Verhalten einer „klinischen Typologie“ zugeordnet, bevor ein Einzelfall aus unserer jugendforensischen Praxis berichtet wird.
Schlagwörter: Jugendforensik, Maßregelvollzug für Jugendliche, Delikttherapie, Lockerungskonzept, Strafgesetzbuch, psychische Entwicklung straffälliger Jugendlicher, Sozialisation, Klinische Typologie
Young Forensic Patients on the Youth Forensic Unit in Marsberg from 2010 to 2022 – practice
Abstract
The psychiatric hospital for children and adolescents in Marsberg, Germany, encompasses a specialized tract for forensic treatment. Consisting of four forensic wards, it includes 24 beds for adolescents. A stepwise approach is applied, i.e., depending on their progress in therapy the adolescents live on different wards and are confronted with a more and more liberalized environment. This concept focuses on the needs of the target group: The hospital atmosphere accentuates the developmental aspects of forensic treatment and emphasizes the goal of successful social rehabilitation. Considering the years between 2010 and 2021 the article concentrates on practical experiences and clinical implications of the daily treatment work. One important lesson: Successful treatment of youth offenders takes time. Socialization in forensic wards means the first socialization at all, in many cases. This article reports an individual case referring to a clinical typology of patients in our youth forensic wards between 2010 and 2021.
Key words: youth forensics, delict therapy, liberalization concept; socialization, clinical typology
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Falk Burchard
LWL-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Bredelarer Straße 33, 34431 Marsberg
Leiter des Jugend- Maßregelvollzugs
falk.burchard@lwl.org
Paper I
Der Zusammenhang von subklinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalttätigkeit: Eine systematische Übersichtsarbeit
Kory Niehaus, Thomas Ross, & María Isabel Fontao
Zusammenfassung
Diese Übersichtsarbeit liefert Evidenz für einen bedeutsamen Zusammenhang von subklinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalt. Theoretisch wird eine kontinuierliche Verteilung der Ausprägungen von Paranoia vorausgesetzt, die von subklinischen Merkmalen und Misstrauen in der gesunden Allgemeinbevölkerung bis hin zu pathologischer Paranoia im Rahmen von klinisch relevanten Störungsbildern reichen. Durchgeführt wurde eine systematische Literaturrecherche nach den PRISMA-Kriterien in den elektronischen Literaturdatenbanken PsycInfo und PSYNDEX. Berücksichtigt wurden hierfür zwischen 2000 und 2020 in deutscher oder englischer Sprache publizierte Beiträge. Insgesamt wurden 33 Primärstudien und zwei Übersichtsarbeiten identifiziert. Der Fokus der Recherche lag hierbei auf der Identifizierung von drei Ausprägungsformen der Paranoia: Subklinische Paranoia, paranoide Persönlichkeitsstörung und pathologische Paranoia im Rahmen schizophreniformer Erkrankungen. In der vorliegenden Arbeit werden die Befunde zu subklinischen Phänomenen und deren Zusammenhänge mit Ärger, Aggression und Gewalt dargestellt. Es zeichnete sich ein positiver Zusammenhang von subklinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalt ab. Evidenz, die gegen diesen Zusammenhang spricht, lässt sich teilweise auf Limitationen der eingeschlossenen Studien zurückführen.
Schlagwörter: subklinische Paranoia, Misstrauen, Aggression, Ärger, Gewalt, systematisches Review
Paper I: Subclinical Paranoia and Anger, Aggression and Violence – a systematical review
Abstract
This review provides evidence for a significant association of subclinical paranoia with anger, aggression and violence. Theoretically, a continuous distribution of expressions of paranoia is assumed, ranging from subclinical features and mistrust in the healthy general population to pathological paranoia in the context of clinically relevant disorders. A systematic literature search was conducted according to the PRISMA criteria in the electronic literature databases PsycInfo and PSYNDEX. Articles published in German or English between 2000 and 2020 were considered. A total of 33 primary studies and two reviews were identified. The focus of the search was on identifying three forms of paranoia: subclinical paranoia, paranoid personality disorder and pathological paranoia in the context of schizophreniform disorders. In the present paper, the findings on subclinical phenomena and their correlations with anger, aggression and violence are presented. A positive association of subclinical paranoia with anger, aggression and violence emerged. Evidence against this association can be partly attributed to limitations
of the included studies.
Keywords: subclinical paranoia, mistrust, aggression, anger, violence, systematic review
Korrespondenzadresse:
Dr. María Isabel Fontao
Fachbereich Psychologie
Universität Konstanz
maria.fontao@uni-konstanz.de
Paper II
Der Zusammenhang von klinischer Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalttätigkeit: Eine systematische Übersichtsarbeit
Kory Niehaus, Thomas Ross, & María Isabel Fontao
Zusammenfassung
Es wurde eine systematische Literaturrecherche nach den PRISMA-Kriterien zum Zusammenhang klinisch relevanter Ausprägungsformen paranoider Ideation (hier: der paranoiden Persönlichkeitsstörung und pathologischen Phänomenen im Rahmen schizophreniformer Erkrankungen) und Ärger, Aggression und Gewalt durchgeführt. Die Recherche erfolgte in den Literaturdatenbanken PsycInfo und PSYNDEX, der Recherchezeitraum umfasste die vergangenen zwanzig Jahre von 2000 bis einschließlich 2020. Insgesamt wurden 33 Primärstudien und zwei Übersichtsarbeiten identifiziert. Es zeigte sich klare Evidenz für einen bedeutsamen Zusammenhang von klinisch relevanten Formen der Paranoia mit Ärger, Aggression und Gewalt. Die Befunde werden vor dem Hintergrund ihrer klinischen Bedeutung und Limitationen eingeordnet und bewertet.
Stichwörter: Paranoia, paranoide Persönlichkeitsstörung, Misstrauen, Ärger, Aggression, Gewalt, systematisches Review
Paper II: Subclinical Paranoia and Anger, Aggression and Violence – a systematical review
Abstract
A systematic literature search was conducted according to the PRISMA criteria on the relationship between clinically relevant forms of paranoid ideation (here: paranoid personality disorder and pathological phenomena in the context of schizophreniform disorders) and anger, aggression and violent behaviour. The search was conducted in the literature databases PsycInfo and PSYNDEX, and the search period covered the past twenty years from 2000 to 2020. A total of 33 primary studies and two reviews were identified. Clear evidence was found for a significant association of clinically relevant forms of paranoia with anger, aggression and violence. The findings are classified and evaluated against the background of their clinical significance and limitations.
Keywords: paranoia, paranoid personality disorder, anger, aggression, violence, systematic review
Korrespondenzadresse:
Dr. María Isabel Fontao
Fachbereich Psychologie
Universität Konstanz
maria.fontao@uni-konstanz.de
Betriebliche psychologische Ersthelfende
Ibrahim Özkan, Antje Harder-Kasten & Dirk Hesse
Zusammenfassung
Vorgestellt wird ein Angebot, welches im Jahr 2021 im Maßregelvollzugszentrum Moringen implementiert werden konnte und der Prävention der psychischen Gesundheit von Mitarbeitenden dient. Es handelt sich dabei um ein niedrigschwelliges, kollegiales und nicht-therapeutisches Konzept, das insbesondere nach Übergriffen durch Patientinnen und Patienten den betroffenen Mitarbeitenden Beistand, Orientierung und Hilfe bieten soll, um etwaigen Traumafolgen frühzeitig entgegenzuwirken. Dabei erfolgt die Unterstützung nicht durch Externe, sondern durch Mitarbeitende der Klinik, die sich ehrenamtlich zu betrieblichen psychologischen Ersthelfenden haben ausbilden lassen. Bereits in der Anfangsphase zeichnet sich eine hohe Akzeptanz durch die Mitarbeitenden ab, die sich durch die Klinikleitung nicht nur wahrgenommen, sondern auch wertgeschätzt fühlen. Ziel ist jedoch nicht nur die Inanspruchnahme nach tatsächlichen Zwischenfällen mit Patientinnen und Patienten, sondern die präventive und sukzessive Schulung der Teams im Umgang mit psychisch belastenden Situationen durch das Arbeitsumfeld. Das vorgestellte Konzept kann und soll als Blaupause für andere Kliniken gelten.
Schlagwörter: Forensik, Übergriffe, Gewalt, Prävention, Trauma, Mitarbeiterfürsorge, betriebliche psychologische Ersthelfende
Psychological First Aid at the Working Place
Summary
A service is presented that was implemented in the year 2021 at the Maßregelvollzugszentrum Moringen Center for the prevention of mental illness and serves to prevent the mental health of employees. It is a low-threshold, collegial and non-therapeutic concept that is intended to offer support, orientation and help to the employees affected, particularly after assaults by patients, in order to counteract any trauma consequences at an early stage. The support is not provided by external parties, but by employees of the clinic who have undergone voluntary training as in-house psychological first aiders. Even in the initial phase, there is a high level of acceptance by the employees, who feel not only noticed but also valued by the clinic management. How ever, the aim is not only to make use of the service after actual incidents with patients, but also to train the teams preventively and successively in dealing with psychologically stressful situations caused by the work environment. The presented concept can and should be considered a blueprint for other hospitals.
Key words: forensics, assaults, violence, prevention, trauma, employee welfare, in-house psychological first responders
Korrespondenzadresse: dirk.hesse@mrvzn-moringen-niedersachsen.de
Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
29. Jahrgang · 2022 · Heft 2
Pabst, 2022
ISSN 0945-2540
Preis: 15,- €