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Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

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2020-3

Inhaltsverzeichnis
 

 

Lutz Hiersemenzel, Uta Kröger & Klaus Hoffmann
Editorial

 

 

Wie COVID-19 den forensischen Alltag verändert hat – Erfahrungsberichte aus dem In- und Ausland

 

Klaus Hoffmann
Einführende Gedanken mit einem Exkurs in den Senegal

 

Markus G. Feil
„Corona-Momentaufnahmen“ aus einem Bereich der ambulanten Straftäterbehandlung

 

Dirk Hesse
Impressionen aus einer forensischen Klinik

 

Lutz-Peter Hiersemenzel
Corona: Eindrücke aus der Schweiz

 

Reingard Cancola
Corona und Forensisch Therapeutisches Zentrum Wien (FTZW) – ein vorläufiger Rückblick

 

Uta Kröger
Erfahrungen mit Corona in der Van der Hoeven Kliniek in den Niederlanden

 

Jutta Muysers
Erfahrungen aus der LVR-Klinik Langenfeld

 

Vivienne de Vogel, Kasia Uzieblo & Uta Kröger
Häusliche Gewalt während der COVID-19-Pandemie: Ein dringender Aufruf, über Stereotype hinauszudenken

 

Lutz-Peter Hiersemenzel
Aktuelles zur Anordnungspraxis stationärer Maßnahmen bei Ausländern in der Schweiz

 

Mario H. Braakman
Auf dem Weg zur kultursensiblen forensisch-psychiatrischen Diagnostik

 

Vivienne de Vogel, Jacqueline Bosker & Ellen van den Broek
Forensische Risikokommunikation

 

Susanne Stübner, Renate Löprich-Zerbes, Herbert Steinböck, Gregor Groß, Norbert Nedopil, Susanne Tippelt, Elena Yundina
Sprechen Zwischenfälle während der Unterbringung im Maßregelvollzug für spätere kriminelle Rückfälle nach Entlassung?

 

 

 

35. Münchner Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Forensischen Psychiatrie (AGFP)

 

Camelia-Lucia Cimpianu
Die fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) in der forensischen Psychiatrie

 

Klaus Drieschner
Rückfälligkeit nach forensischen Behandlungstrajekten in den Niederlanden: Ergebnisse einer nationalen Populationsstudie


Johannes Klopf, Valentin Holzbauer, Tobias Jonas, David Klopf
Über den Maßnahmenvollzug in Österreich zwischen Stillstand und Entwicklung
Bericht zum Zeitraum 2016-2020 (in Interviewform)


Simon Langgartner
Schuldfähigkeit aus juristischer und aus psychiatrischer Perspektive
Ein Fallbeispiel aus der Begutachtungspraxis

 

Norman Meuschke
Eine Untersuchung der Vorhersagequalität kriminalprognostischer Verfahren bei der Risikoeinschätzung von zurechnungsunfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern

 

Jan Querengässer & Hans-Joachim Traub
Wenn die Bremse zum Gaspedal wird – Die Entwicklung der Unterbringungsanordnungen gemäß § 64 StGB vor und nach dessen Neuformulierung 2007 im Ländervergleich

 

Florian Riegg
Voraussetzungen der Unterbringung gemäß §64 StGB – Schwierigkeiten in der gutachterlichen Praxis

 

Kolja Schiltz
BIP – Das Programm für „Betreuungsintensive Patienten“, ein wirksames Konzept zur Vermeidung von Hospitalisierung

 

Hans-Joachim Traub
Verändern sich die Patienten in Baden-Württemberg? Zur Diskussion um die Steigerung der Aufnahmen gemäß § 126a StPO

 

Maximilian Wertz, Susanne Schobel
Persönlichkeitsprofile forensischer Populationen – Projektstatus und erste Ergebnisse

 


 


 

 

Editorial
Lutz Hiersemenzel, Uta Kröger & Klaus Hoffmann

 


 

 


Wie COVID-19 den forensischen Alltag verändert hat – Erfahrungsberichte aus dem In- und Ausland

 

 

Einführende Gedanken mit einem Exkurs in den Senegal
Klaus Hoffmann

 

„Corona-Momentaufnahmen“ aus einem Bereich der ambulanten Straftäterbehandlung
Markus G. Feil


Impressionen aus einer forensischen Klinik
Dirk Hesse


Corona: Eindrücke aus der Schweiz
Lutz-Peter Hiersemenzel

 


 

 

Corona und Forensisch Therapeutisches Zentrum Wien (FTZW) – ein vorläufiger Rückblick
Reingard Cancola

 


 


Erfahrungen mit Corona in der Van der Hoeven Kliniek in den Niederlanden
Uta Kröger

 


 


Erfahrungen aus der LVR-Klinik Langenfeld
Jutta Muysers

 


 


Häusliche Gewalt während der COVID-19-Pandemie: Ein dringender Aufruf, über Stereotype hinauszudenken
Vivienne de Vogel, Kasia Uzieblo & Uta Kröger
 

Zusammenfassung
Die Prävalenz häuslicher Gewalt scheint während der COVID-19-Pandemie zuzunehmen. In den meisten Medienberichten und Forderungen nach Präventionsmaßnahmen von Fachleuten und Politikern werden Männer durchweg als Täter häuslicher Gewalt und Frauen und Kinder als Opfer dargestellt, auch von führenden Organisationen wie der WHO. Untersuchungen haben jedoch eindeutig gezeigt, dass es mehr Arten von häuslicher Gewalt gibt, wie die Gewalt zwischen Geschwistern und gegen im Haushalt lebende ältere Menschen, und dass auch Frauen zu schwerer Gewalt gegen ihre Familie fähig sind. Der Artikel zielt darauf ab, die Literatur zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Partnergewalt zusammenzufassen und die Zurückhaltung in der Gesellschaft zu diskutieren, Frauen als potenzielle Täter und Männer als potenzielle Opfer anzuerkennen.

Schlüsselwörter: häusliche Gewalt, weibliche Täter, männliche Opfer, COVID-19-Pandemie,stereotypes Denken

 

 

Domestic violence during the COVID-19 pandemic: An urgent call to think beyond stereotypes


Abstract
The prevalence of domestic violence seems to be increasing during the COVID-19 pandemic. In most media coverage and calls for preventive initiatives from professionals and policy, males are consistently portrayed as perpetrators of domestic violence and females and children asvictims, also by leading organizations like the WHO. However, research has clearly shown that there are more types of domestic violence, like sibling and elder abuse and that women are also capable of serious violence towards their family. The current article aims to summarize the literature on gender and domestic violence, and to discuss the societal reluctance to acknowledge females as potential perpetrators, and males as potential victims.

Keywords: domestic violence, female offenders, male victims, COVID-19 pandemic, stereotypical thinking


Dr. Vivienne de Vogel & Prof. Dr. Kasia Uzieblo 
De Forensische Zorgspecialisten. 
NL-3515 GB Utrecht, 
Willem Dreeslaan 2. 
vdevogel@dfzs.nl

 


 


Aktuelles zur Anordnungspraxis stationärer Maßnahmen bei Ausländern in der Schweiz
Lutz-Peter Hiersemenzel

 

Zusammenfassung
Stationäre Behandlungsmaßnahmen gelten als eine Möglichkeit, psychisch kranke Rechtsbrecher einer Behandlung zuzuführen und das Rückfallrisiko zu senken. Der Anteil von Ausländern in einer solchen Maßnahme in der Schweiz, sie ist vergleichbar mit einer deutschen Maßregel, liegt aber deutlich niedriger als ihr Anteil im regulären Strafvollzug. Als Folge einer Volksinitiative trat zudem in 2016 eine Gesetzgebung mit Verschärfung der Ausweisungspraxis ausländischer Rechtsbrecher in Kraft. Wie weit dies eine Auswirkung auf die Anordnungspraxis von juristischen Maßnahmen hat, ist nicht bekannt. Die Thematik wirft verschiedene rechtliche, aber auch ethische Fragen auf.

Schlüsselwörter: Schweizer Maßnahmenvollzug, Ausländerkriminalität, Strafvollzug 

 

 

Current news on the practice of ordering forensic in-patient measures for foreigners in Switzerland

 

Abstract
In-patient treatment is seen as one way of bringing mentally ill offenders to treatment and reducing the risk of recidivism. The proportion of foreigners in such a forensic treatment scheme in Switzerland, which is comparable to a German hospital order treatment, is, however, significantly lower than their proportion in regular prisons. In addition, as a result of a popular initiative, legislation came into force in 2016 that tightened up the practice of deporting foreign offenders. It is not known to what extent this will have an impact on the practice of ordering legal measures. The issue raises various legal, but also ethical questions.

Keywords: Swiss correctional system, criminality of foreigners, penal system


lutz.hiersemenzel@spital.so.ch

 


 


Auf dem Weg zur kultursensiblen forensisch-psychiatrischen Diagnostik
Mario H. Braakman


Zusammenfassung
Dieser Beitrag stellt das DSM-5-Interview zu kulturellen Fragen vor (Cultural Formulation Interview; CFI) und plädiert für die Einführung dieses Interviews in der forensischen Psychiatrie zur Verbesserung der psychiatrischen Diagnose bei Migranten. Das CFI kann hilfreich sein, wenn die kulturelle Kluft zwischen dem Untersucher und der untersuchten Person beträchtlich ist. Die Einbeziehung des kulturellen Kontextes erhöht das Verständnis der Symptome und der untersuchten Person in ihrem eigenen sozialen, (sub-)kulturellen Umfeld. Das CFI wurde nicht speziell für die forensische Psychiatrie, sondern für die klinische Praxis im Allgemeinen entwickelt. Daher sollte dieses Instrument für die forensische Psychiatrie und Psychologie angepasst und verfeinert werden. Zusätzlich wird ein zweiter Aspekt der Begutachtung bei Migranten erörtert: eine transkulturelle Einschätzung des Rückfallrisikos. Es gibt fast keine validierten Instrumente, allerdings scheint der HCR-20 breit genug formuliert und in den meisten Gesellschaften gültig zu sein.

Schlüsselwörter: Migranten, DSM-5 Interview, Rückfallrisiko 

 

 

Ways to culture sensitive forensic-psychiatric assessments 


Abstract
This paper introduces the DSM-5 Cultural Formulation Interview (CFI) and advocates the introduction of this interview in forensic psychiatry to improve the psychiatric diagnostics of migrants. The CFI can be useful when the cultural gap between the examiner and the person examined is significant. The inclusion of the cultural context increases the understanding of the symptoms and the examined person in their own social, (sub-) cultural environment. The CFI was not developed specifically for forensic psychiatry, but for clinical practice in general. Therefore, this tool should be adapted and refined for forensic psychiatry and psychology. In addition, a second aspect of the assessment among migrants is discussed: the transcultural risk assessment. There are almost no validated instruments, but the HCR-20 appears to be broad enough and to be valid in most societies.

Key words: Migrants, DSM-5 Interview, risk assessment


Prof. Dr. med. Mario H. Braakman 
Tilburg Law School 
Department of Criminal Law
PO Box 90153
5000 LE Tilburg
mario.braakman@tilburguniversity.edu

 


 


Forensische Risikokommunikation
Vivienne de Vogel, Jacqueline Bosker & Ellen van den Broek


Zusammenfassung
Eine strukturierte Beurteilung des Risikos für neuerliche Delikte ist im rechtlichen Rahmen immer mehr Standard geworden. Der Art und Weise, wie die Ergebnisse dieser Risikoeinschätzung der Justiz oder den Verantwortlichen forensischer Institutionen mitgeteilt werden, wird jedoch viel weniger Beachtung geschenkt. Untersuchungen zeigen, dass die Form der Kommunikation des Rückfallrisikos die Entscheidungsfindung von Richtern beeinflussen kann. Dieser Artikel fasst die Forschungsergebnisse zusammen und diskutiert die verschiedenen Formen der Risikokommunikation. Abschließend werden Empfehlungen gegeben, wie die Ergebnisse einer Risikobewertung so klar wie möglich kommuniziert werden können.

Schlüsselwörter: Risikokommunikation, Risikoprognose, Rückfallrisiko 

 


Forensic Risk Communication


Abstract
Structured assessment of the risk of repeated offending has become common practice in the judicial system. However, much less attention has been paid to the way of communicating about the results of these risk assessments to the court or forensic settings. Research shows that the way of communicating about risks of relapse may affect decision-making by judges. In this article, these research results will be summarized and the different approaches to risk communication are discussed. Finally, recommendations are provided for clear communication about risk assessment results.

Key words: risk communication, risk assessment, recidivism

 


Dr. Vivienne de Vogel 
Lector Werken in Justitieel Kader
Kenniscentrum Sociale Innovatie
Hogeschool Utrecht 
Postbus 85397
3508 AJ Utrecht
vivienne.devogel@hu.nl

 


 

Sprechen Zwischenfälle während der Unterbringung im Maßregelvollzug für spätere kriminelle Rückfälle nach Entlassung?
Susanne Stübner, Renate Löprich-Zerbes, Herbert Steinböck, Gregor Groß, Norbert Nedopil, Susanne Tippelt, Elena Yundina


Zusammenfassung
Zur prognostischen Einschätzung wird unter anderem der postdeliktische Verlauf in der Unterbringung im Maßregelvollzug betrachtet. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob das Vorkommen von Zwischenfällen während der Unterbringung tatsächlich mit dem späterer Rückfälle nach Entlassung korreliert. Von 46 Patienten, die im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB untergebracht und zwischen 1990 und 1994 entlassen worden waren, wurden die Krankenakten u.a. bezüglich gewalttätiger und autodestruktiver Zwischenfälle und Entweichungen sowie die Bundeszentralregister (BZR)-Auszüge aus 2010 bezüglich Rückfälle analysiert. Während gewalttätige und autodestruktive Zwischenfälle positiv mit späterer allgemeiner sowie gewalttätiger Rückfälligkeit korrelierten, fanden sich negative Korrelationen zwischen Entweichungen und späterer Rückfälligkeit. Die Ergebnisse könnten – unter Berücksichtigung der methodischen Limitierungen – sowohl als Bestätigung des Risikopotentials (auto-)aggressiven Verhaltens als auch vorsichtig als Hinweis auf einen protektiven Aspekt von Autonomie und Außenorientierung bei untergebrachten Patienten interpretiert werden.

Schlüsselwörter: Entweichungen, Zwischenfälle, Rezidivrate, Unterbringung, Maßregelvollzug

 

 

Incidents during hospitalization and criminal recidivism


Abstract
For the prognostic assessment, the post-criminal course in the execution of measures is considered among other factors. In the present study, the question was investigated whether the occurrence of incidents during hospitalization actually correlates with later relapses after discharge. The medical records of 46 patients who had been placed in forensic hospitals (according to § 63 StGB) and discharged between 1990 and 1994 were analyzed with regard to violent and autodestructive incidents and escapes, as well as excerpts from the Federal Central Register (Bundeszentralregister)
from 2010 regarding criminal relapses. While violent and autodestructive incidents correlated positively with later general and violent recidivism, negative correlations were found between escapes and late recidivism. Considering the methodological limitations, the results could be interpreted both as confirmation of the risk potential of (auto-)aggressive behaviour and as an indication of a protective aspect through autonomy and external orientation in hospitalized forensic patients.

Keywords: Incidents during hospitalization, criminal recidivism, mentally ill offenders

 


 


35. Münchner Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Forensischen Psychiatrie (AGFP)


Abstracts

 


Die fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) in der forensischen Psychiatrie 
Camelia-Lucia Cimpianu

LMU München
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie 
Abteilung Forensik
Nußbaumstr. 7
80336 München 
camelia.cimpianu@med.uni-muenchen.de

Die Relevanz der fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) in der forensischen Psychiatrie ist aufgrund der Comorbidität mit Suchterkrankungen, auffälligem Sexualverhalten oder dissozialen Verhaltensweisen als hoch einzuschätzen. Erwachsene mit einer FASD sind häufig in den Justizvollzugsanstalten oder in den Obdachlosenheimen anzutreffen. Die Diagnostik der FASD im Erwachsenalter ist nur wenig wissenschaftlich untersucht und daher gering standardisiert. Eine große Hilfe stellt die S3-Leitlinie „Diagnose der Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD)“ (Autoren Dr. med. Dipl-Psych. Mirjiam N. Landgraf und Prof. Dr. Florian Heinen) im Kindesalter dar. Der entwickelte Algorithmus zur Abklärung des fetalen Alkoholsyndroms im Kindesalter kann für erwachsene Betroffene angepasst und ebenfalls genutzt werden. Dieser erlaubt die Differenzialdiagnose des Vollbildes Fetalen Alkoholsyndroms (FAS), des Partiellen Fetalen Alkoholsyndroms (pFAS), der Alkoholbedingten Entwicklungsneurologischen Störung (ARND) und der Alkoholbedingten Angeborenen Malformationen (ARBD). Die vier Säulen der Diagnostik sind die Feststellung von intrauteriner Alkohol-Exposition, pathognomonischen Gesichtsauffälligkeiten, Wachstumsauffälligkeiten und Auffälligkeiten des Zentralnervensystems. Zwei Fälle aus der Erfahrung der Abteilung für forensische Psychiatrie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München werden präsentiert. Nach einer zusammenfassenden Darstellung der Anamnese und der neuro-psychiatrischen und testpsychologischen Befunde wird die Differenzialdiagnose der FASD anhand der vier diagnostischen Säulen diskutiert. Des Weiteren wird auch die juristische Relevanz der Diagnosestellung für die zwei Fälle diskutiert.

 

 


Rückfälligkeit nach forensischen Behandlungstrajekten in den Niederlanden:
Ergebnisse einer nationalen Populationsstudie

Klaus Drieschner

Wetenschappelijk onderzoeker
Vertrouwenspersoon wetenschappelijke integriteit
Wetenschappelijk Onderzoek – en Documentatiecentrum
Koningskade 4, 
2596 AA Den Haag
Postbus 20301
2500 EH
Den Haag
k.h.drieschner@wodc.nl

In den Jahren 2013 bis 2015 haben in den Niederlanden ungefähr 17.500 Straftäter ein forensisches Trajekt beendet. Neben rein ambulanten Behandlungen geht es um klinische und gemischt klinisch-ambulante Trajekte und um Trajekte, die eine Periode im Gefängnisvollzug einschließen. Die Rückfälligkeit für diese Gruppe ist auf der Basis von Wiederverurteilungsdaten bestimmt. Dabei ist auch der Zusammenhang zwischen Rückfall und Personenvariablen (demografisch, strafrechtlich, diagnostisch) beziehungsweise Eigenschaften der durchlaufenen forensischen Trajekte (Dauer, Typen forensischer Einrichtungen) untersucht. Um die Ergebnisse der Studie einordnen zu können, wird zunächst auf das niederländische forensische System und die verschiedenen Typen forensischer Trajekte eingegangen. Die Forschungsmethode und die Art der verwendeten Daten werden in groben Zügen beschrieben. Bei den Ergebnissen liegt der Hauptakzent auf Rückfälligkeit innerhalb der ersten zwei Jahre. Dabei wird nach Delikttypen und Ernst der Straftaten unterschieden. Wir enden mit einer Einordnung der Studie und gehen auf die Frage nach der Effektivität der verschiedenen forensischen Trajekte bezüglich der Rückfallprävention ein.

Settings
Die Niederlande sind nicht viel größer als ein deutsches Bundesland. Dadurch ist das forensische Einrichtungs- und Versorgungssystem übersichtlich und besser steuerbar.
Das niederländische Ministerium für Justiz und Sicherheit (MinJenV) und die Dienste der justiziellen Einrichtungen (DJI) haben eine zentrale juridische, regulierende und finanzielle Rolle. Sie haben zudem in den letzten Jahren die Qualität und die Innovation intensiv gefördert. Einige Ergebnisse sind die niedrige Anzahl der Inhaftierten in den Niederlanden und das Netzwerk der forensischen Einrichtungen und Hilfen sowie die wissenschaftliche Versorgungsforschung. Dennoch können dramatische Vorfälle noch nicht verhindert werden. In Herbst 2017 wurde von einem jungen forensischen Patienten mit Ausgang eine junge Frau vergewaltigt und ermordet. Die Öffentlichkeit und die

 

 

Über den Maßnahmenvollzug in Österreich zwischen Stillstand und Entwicklung
Bericht zum Zeitraum 2016-2020 (in Interviewform)

Johannes Klopf, Valentin Holzbauer, Tobias Jonas, David Klopf

Johannes Klopf: 
Interfakultärer Fachbereich für Gerichtsmedizin & Forensische Neuropsychiatrie
Ignaz-Harrerstraße 79
5020 Salzburg
Johannes.Klopf@sbg.ac.at


Über den Maßnahmenvollzug in Österreich zwischen Stillstand und Entwicklung Bericht zum Zeitraum 2016-2020 (in Interviewform) Noch nie waren in Österreich so viele forensische Patienten untergebracht wie zum Stichtag 01.01.2020. Österreich ist das einzige Land im deutschen Sprachraum, das eine Sicherungsverwahrung von vornherein geschaffen hat. Die Zahl der geistig abnormen zurechnungsunfähigen Rechtsbrecher hat sich in den letzten zehn Jahren um circa 80 % erhöht. Ab 2016 stiegen diese Fallzahlen wieder überdurchschnittlich an. Seit mindestens zehn Jahren werden von österreichischen Experten Forderungen nach Abschaffung oder zumindest grundlegender Reform des österreichischen Maßnahmenvollzugs laut. Zuletzt wurde im Jahr 2015 vom damaligen Justizminister Brandstetter angekündigt, die überzeugenden Vorschläge einer Expertengruppe zur Reform des Maßnahmenvollzugs möglichst rasch umzusetzen. Von Verfassungsjuristen wurde die Verfassungswidrigkeit des österreichischen Maßnahmenvollzugs festgestellt, und die Republik Österreich wurde wiederholt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt – dies führte jedoch bis dato zu keinen Änderungen. Eine Entlastung des Maßnahmenvollzugs ist dringend erforderlich und unumgänglich, in wenigen Monaten ist nicht einmal mehr ein ausreichender Notbetrieb ohne gröbere Qualitätsverluste möglich. Es kommt zu längeren Verzögerungen für die Aufnahme von psychisch kranken Rechtsbrechern im Stadium der vorläufigen Anhaltung und es kommt zu einem überlangen Aufenthalt in den landesgerichtlichen Gefangenenhäusern ohne entsprechende Behandlung. Von den unter § 21 Abs. 2 ÖStGB Untergebrachten sind 55 % in Strafvollzugsanstalten ausgelagert und werden nicht in den entsprechenden Sonderanstalten behandelt. Diesbezüglich wird problematisiert, dass es in den Fällen, in denen vom juristischen Standpunkt volle Zurechnungsfähigkeit vorliegt, keine zwangsläufige psychiatrische Behandlung braucht, solange der Patient diese nicht einfordert. Es ist sehr viel zu tun, sodass sich die Frage stellt, ob der Maßnahmenvollzug nicht grundlegend zu ändern ist.

 

 


Schuldfähigkeit aus juristischer und aus psychiatrischer Perspektive
Ein Fallbeispiel aus der Begutachtungspraxis

Simon Langgartner

LMU München, 
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Abteilung Forensik
Nußbaumstr. 7
80336 München
simon.langgartner@med.uni-muenchen.de


Hintergrund
Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis sind komplexe Störungsbilder. Betroffene sind auf mehreren Ebenen beeinträchtigt. Abhängig vom individuellen Krankheitsverlauf leiden die Betroffenen neben produktiv-psychotischen Symptomen auch an kognitiven Defiziten und Negativsymptomen mit unterschiedlichem Schweregrad. Die Schuldfähigkeitsbegutachtung bei Probanden, die an Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis leiden, stellt insbesondere dann eine Herausforderung dar, wenn Einschränkungen der Steuerungsfähigkeit nicht durch produktiv-psychotisches Erleben, sondern durch kognitive Defizite und Negativsymptome bedingt sind. Den Zusammenhang zwischen diesen Symptomen und Einschränkungen der Steuerungsfähigkeit verständlich begreifbar zu kommunizieren, stellt eine besondere Herausforderung für den Sachverständigen dar. 

Fallbericht
Der osteuropäische, Mitte 20-jährige Proband zog im Sommer 2018 nach München, lebte bei den Eltern, arbeitete, war im Sportverein und sozial integriert. Das Verhältnis zu den Eltern war wie gewohnt gut. Ab Januar 2019 veränderte er sich stark, er wurde gekündigt, vom Vereinstraining ausgeschlossen. Er war ungewohnt aggressiv, impulsiv, unruhig und distanzgemindert. Ab März 2019 beging er plötzlich Straftaten, sogar weiterhin während der dann angeordneten Untersuchungshaft. Die Straftaten reflektierten ein hohes Maß an Impulsivität, eine stark reduzierte Frustrationstoleranz und Auffassungsdefizite. Zudem bestand fremdanamnestisch der Verdacht auf intermittierendes produktiv-psychotisches Erleben. Berichte, der Proband habe geäußert, er höre Stimmen, die ihm das Ermorden der Eltern nahelegten, gaben letztlich Anlass zur Untersuchung des Probanden zu den Voraussetzungen der Unterbringung nach § 126a StPO. Der Proband dissimulierte psychotische Symptome. Zerfahrener Gedankengang, Auffassungsdefizite, Antriebssteigerung, Distanzminderung und hyper-/parathymer Affekt standen im Vordergrund. Der Proband wurde vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die initiale Verdachtsdiagnose einer paranoiden Schizophrenie wurde bestätigt. Infolge medikamentöser Behandlung kam es zu einer vollständigen Normalisierung und zu keinerlei weiteren Regelverstößen mehr. Der Proband wurde jetzt als durchaus prosozial beschrieben. Das Vorliegen von produktiv-psychotischen Symptomen zu den Tatzeitpunkten war nicht sicher zu belegen. Dennoch wurde von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen. Grundlage hierfür boten das beschriebene hohe Maß an Impulsivität und die geringe Frustrationstoleranz, denen im Hinblick auf die klar um schriebene Persönlichkeitsveränderung Störungswert zugeschrieben wurde. Eine Vermittlung der schweren Beeinträchtigung gegenüber dem Gericht war schwierig, da keine illustrativen Positivsymptome herangezogen werden konnten, sondern eine Negativsymptomatik, die nicht zu offensichtlichen psychotischen Symptomen führte, in ihrer Auswirkung auf die Handlungskontrolle zu konzeptualisieren war. Bei nicht sicherem Vorliegen psychotischer Symptome zu den einzelnen Tatzeitpunkten war es so eine besondere Herausforderung, die schuldmindernden Gründe aus psychiatrischer Sicht zu kommunizieren.

 

 

 

Eine Untersuchung der Vorhersagequalität kriminalprognostischer Verfahren bei der Risikoeinschätzung von zurechnungsunfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern
Norman Meuschke

Rechte Wienzeile 229/3/24
1120 Wien 
normanmeuschke@gmx.net


Ziel der Studie war es die Vorhersagequalität der Kriminalprognoseverfahren VRAG, VRAGR, PCL-R und HCR-20 V2 innerhalb einer Stichprobe von zurechnungsunfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern zu überprüfen. Dazu wurden 314 ehemalige nach § 21 Abs. 1 öStGB Untergebrachte aus zwei österreichischen Sonderanstalten in die Untersuchung eingeschlossen. Die Vorhersagequalität der Verfahren hinsichtlich der Prognose von gewalttätigen Wiederverurteilungen und, aufgrund der klinischen Relevanz, einem Widerruf der bedingten Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug wurde mittels ROC-Kurven sowie binär logistischen Regressionen untersucht. Die statistische Analyse der Daten macht deutlich, dass der VRAG innerhalb des Beobachtungszeitraumes von ca. 6,5 Jahren die gewalttätige Wiederverurteilung am treffendsten vorhersagt (AUC = .685). Überraschenderweise ergab sich für den VRAG-R eine deutlich geringere Prognosequalität im Vergleich zu dessen Vorgänger, was auf die neue Itemstruktur der revidierten Fassung, die kaum zur Differenzierung innerhalb der zurechnungsunfähigen Straftäter beizutragen scheint, zurückgeführt werden kann. Hinsichtlich des Widerrufs der bedingten Entlassung ergibt sich hingegen für die Facette 1 der PCL-R der beste Vorhersagewert (AUC = .688). Die aufgestellten Vorhersagemodelle machen jedoch deutlich, dass die Anwendung von zumindest zwei Verfahren zumeist die besten Vorhersagen liefert.

 

 

Wenn die Bremse zum Gaspedal wird – Die Entwicklung der Unterbringungsanordnungen gemäß § 64 StGB vor und nach dessen Neuformulierung 2007 im Ländervergleich
Jan Querengässer & Hans-Joachim Traub

Jan Querengässer: 
LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne
Wilhelmstraße 120
44649 Herne
jan.querengaesser@lwl.org


2007 erfolgte eine Neuformulierung des § 64 StGB mit dem Ziel, die Zahl der angeordneten Unterbringungen in eine Entziehungsanstalt zu senken. Diese steigt bundesweit seither jedoch weiter an. Der Vortrag berichtet die Ergebnisse einer differenzierten Analyse der Entwicklungen je im Zehn-Jahreszeitraum vor und nach der Novelle anhand der Auswertung linearer Trendmodelle und basierend auf allen Unterbringungsanordnungen  (UAO) gemäß § 64 StGB zwischen 1997 und 2016. Dazu wurden zunächst landesspezifische Inzidenzen je 100.000 der strafmündigen Wohnbevölkerung berechnet. Zwar erfolgt in keinem Bundesland nach der Novelle ein konsistenter Rückgang der UAO, doch ergeben sich deutliche differenzielle Unterschiede in den Steigerungen vor und nach 2007. Die bundesweite Zunahme der UAO geht in den zehn Jahren nach der Novelle insbesondere auf die Entwicklungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen zurück. Als Ursachen für die Gesamtentwicklung können neben einer tatsächlichen Zunahme suchtmittelassoziierter Delinquenz auch Bewertungsänderungen von Gerichten und Sachverständigen hinsichtlich spezifischer Tat-/Täterkonstellationen angenommen werden. Letztere würden auch die landesspezifischen Differentialeffekte erklären. Zu denken geben sollte die Diskrepanz zwischen dem Willen des Gesetzgebers und der rechtspraktischen Umsetzung.

 

 

Voraussetzungen der Unterbringung gemäß §64 StGB – Schwierigkeiten in der gutachterlichen Praxis
Florian Riegg

LMU München 
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Abteilung Forensik
Nußbaumstr. 7
80336 München
florian.riegg@med.uni-muenchen.de

Die Anordnungen der Unterbringung nach § 64 StGB sind hoch, gleichzeitig auch die Abbruchquote dieser Therapiemaßnahme. Unter Straftätern wird der § 64 StGB offenbar als „Aldi-Paragraf“ bezeichnet, was darauf schließen lässt, dass entsprechende Bestrebungen nach einer Anordnung dieser Form der Maßregel nicht selten von der Motivation einer Strafaussetzung im Sinne der Halbstrafenregel geleitet sind. Demzufolge sollte es ein Anliegen der psychiatrischen Sachverständigen im Strafverfahren sein, die Täter zu erkennen, welche von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt tatsächlich profitieren können. Ein Erfolg der Therapie ist durch einen regulären Abschluss der Maßregel sowie eine folgende „erhebliche Zeit“ ohne (suchtmittelbedingte) Delinquenz definiert. Aus psychiatrischer Sicht erscheint es dabei wichtig, dass neben einer ausgeprägten Suchtproblematik auch eine klare Kausalität zwischen dem Suchtmittelkonsum und der Anlasstat gegeben ist und die zukünftige Gefährlichkeit in erster Linie auf einem fortgesetzten Suchtmittelkonsum basiert. In dem präsentiertenFsllbeispiel waren bei dem 42-jährigen Probanden – angeklagt wegen Handeltreibens von Kokain in nicht geringer Menge – eine Kokainabhängigkeit sowie eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und deutliche dissoziale Verhaltensweisen festzustellen. Die Kokainabhängigkeit stand in einem engen Zusammenhang mit der Persönlichkeitsstörung, so dass aus psychiatrischer Sicht das rechtliche Merkmal eines Hangs, Drogen/Alkohol im Übermaß zu konsumieren, vorlag. Es bestand jedoch allenfalls eine Teilkausalität zwischen der Abhängigkeit und den Anlasstaten und auch die zukünftige Gefährlichkeit war insbesondere durch die Persönlichkeitsstörung bedingt. Diese stellt zudem einen klaren ungünstigen Faktor für einen vorzeitigen Abbruch der Therapiemaßnahme dar. Die Schwelle für eine Nicht-Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erscheint gemäß der bisherigen Rechtsprechung hoch, so dass in diesem Fall trotz der vergleichsweise ungünstigen Therapieaussicht die medizinischen Voraussetzungen des § 64 StGB als gegeben erachtet wurden. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, eine ausführliche Diskussion über Persönlichkeitsmerkmale und Sozialanamnese zu führen und daraus resultierende Einflussfaktoren auf die Gefährlichkeitsprognose und die Therapieaussicht zu erläutern. Nicht zuletzt wird den Gerichten hierdurch eine Diskussionsgrundlage für die Anordnung oder Nicht-Anordnung des § 64 StGB geboten. Untersuchungen weisen darauf hin, dass Anordnungen des § 64 StGB durch Landgerichte eine geringere Abbruchquote zur Folge haben als durch Amtsgerichte. Es ist davon auszugehen, dass an den Landgerichten eine bessere Selektion der Straftäter erfolgt. Eine hohe Gutachtenqualität kann diesen Prozess positiv unterstützen. Für die gutachterliche Praxis erscheint es dabei hilfreich, wenn im Ermittlungsverfahren regelhaft Haarproben der Straftäter durchgeführt und ggf. medizinische Unterlagen der U-Haft leichter zugänglich gemacht werden (z. B. Hinweise auf Entzugssymptomatik). Des Weiteren ist eine Verbesserung der Datenlage zu wesentlichen Einflussfaktoren auf die zukünftige, mit einem Suchtmittelkonsum
assoziierte Delinquenz nach einer Unterbringung gemäß § 64 StGB dringend anzustreben.

 

 

 

BIP – Das Programm für „Betreuungsintensive Patienten“, ein wirksames Konzept zur Vermeidung von Hospitalisierung
Kolja Schiltz

Abteilung für Forensische Psychiatrie der Universität München, 
Information: www.forensik-muenchen.de


Es gibt Patienten, die im Rahmen des klassischen therapeutischen Settings nicht ausreichend erreichbar sind und zunehmend hospitalisieren. Dies gilt insbesondere für die Patienten, die krankheitsbedingt persistierende aggressive Verhaltensweisen zeigen, verbunden mit geringen sozialen Kompetenzen, einem unterdurchschnittlichen kognitiven Funktionsniveau, sowie einer geringen psychosozialen Belastbarkeit. Diese Konstellation führt oft dazu, dass diese Patienten über lange Zeiträume aus der Patientengemeinschaft genommen werden müssen, was ihrer Hospitalisierung Vorschub leistet. Um diese Patienten wieder in die Patientengemeinschaft zu integrieren und in die Lage zu versetzen, an den regulären Therapieangeboten teilzunehmen, haben wir in Wiesloch ein spezielles Programm an Betreuungs- und Förderangeboten entwickelt, das sowohl im Einzelsetting als auch im Gruppensetting individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt ist, das „Betreuungsintensive Patienten Programm“, kurz BIP. Eine Evaluation nach nun 3 Jahren zeigt deutliche geringere Isolationszeiten, eine zunehmende Teilnahme an den Behandlergesprächen, den Fachtherapien und höhere Lockerungsstufen, die auch eine Zunahme an Zeiten in der Patientengemeinschaft zur Folge haben.

 

 


Verändern sich die Patienten in Baden-Württemberg? Zur Diskussion um die Steigerung der Aufnahmen gemäß § 126a StPO
Hans-Joachim Traub

ZfP Südwürttemberg
Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
Weingartshofer Str. 2
88214 Ravensburg
Hans-Joachim.Traub@ZfP-Zentrum.de

 

Die Anzahl der aufgenommenen Patienten gemäß § 126a StPO in den Maßregelvollzug steigt seit einigen Jahren an, wie aus verschiedenen Bundesländern und Kliniken berichtet wird. Eine bundesweite Übersicht zu dieser Entwicklung fehlt bislang. Für Baden-Württemberg kann die Entwicklung der letzten 11 Jahre dargestellt werden. Datengrundlage sind alle Aufnahmen gemäß § 126a StPO in den Maßregelvollzug in Baden-Württemberg gemäß § 63 StGB. Eine vollständige Übersicht (n=1470) liegt von 2009 bis 2019 vor (Forensische Basisdokumentation Baden-Württemberg). Es werden soziodemographische und klinische Daten, Deliktkategorien und Angaben zur Vorgeschichte in einer deskriptiven Analyse zur zeitlichen Entwicklung ausgewertet. Die Anzahl der Patienten mit einer Unterbringung gemäß §126a StPO hat sich in einem Zeitraum von 11 Jahren um 38% erhöht, während die Belegungszahlen von Patienten mit rechtskräftigem § 63 StGB praktisch unverändert geblieben sind. Die Veränderung der Patientenmerkmale in den einzelnen Populationsparametern wird als Grundlage der Diskussion um die Ursachen der Zunahme aufgegriffen.

 

 

Persönlichkeitsprofile forensischer Populationen – Projektstatus und erste Ergebnisse
Maximilian Wertz, Susanne Schobel

Maximilian Wertz: 
LMU München
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Abteilung Forensik
Nußbaumstr. 7
80336 München
maximilian.wertz@med.uni-muenchen.de



Dieser Beitrag präsentiert den aktuellen Projektstatus und erste Ergebnisse des abteilungsinternen Projekts „Spezifische Persönlichkeitsprofile Forensischer Populationen – Testpsychologische Profilerhebung und Generierung forensischer Normwerte anhand einer Stichprobe aus Straf- und Maßregelvollzug“. So konnten erste Piloterhebungen in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim sowie in der Maßregelvollzugsanstalt Taufkirchen (Vils) durchgeführt werden. Dabei nahmen jeweils n=31 weibliche sowie männliche Inhaftierte der JVA (Straf- und U-Haft) und n=73 weibliche Patientinnen des MRV an den Erhebungen teil (N = 135). Im Rahmen erster Erkenntnisse bezüglich spezifischer Persönlichkeitsprofile forensischer Populationen zeigte sich bei Maßregelvollzugspatientinnen im Vergleich zur Normstichprobe bezüglich der Aggressivität eine erhöhte Erregbarkeit und Selbstaggressivität sowie eine niedrigere Aggressionshemmung. Hinsichtlich der Stressbewältigung erzielten die Maßregelvollzugspatientinnen erhöhte Werte in den Bereichen Soziale Abkapselung, Soziales Unterstützungsbedürfnis und Pharmakaeinnahme sowie niedrigere Werte bezüglich der positiven Selbstinstruktion und der Situations- und Reaktionskontrolle. Auch im Hinblick auf den Ärgerausdruck konnten erhöhte Werte festgestellt werden. Im Geschlechtervergleich inhaftierter Straftäter*innen ergaben sich signifikante Unterschiede in den Skalen der schizotypischen, riskierend-abenteuerlustigen, furchtsamen sowie asthenisch-nervösen Persönlichkeitsakzentuierung. Hinsichtlich des Emotionssowie Empathieerlebens zeigten sich mit Ausnahme einzelner Skalen keine signifikanten Geschlechterunterschiede. Schließlich konnten im Rahmen des Vergleichs von Maßregelvollzugspatientinnen und inhaftierten Straftäterinnen signifikante Unterschiede bezüglich der Frustrationstoleranz sowie der Konfliktbewältigung festgestellt werden. Beide Gruppen zeigten gleichermaßen eine gehemmte Aggression gegen die Außenwelt und durchschnittliche Werte in der Konfliktbewältigung, die Maßregelvollzugspatientinnen erzielten jedoch geringere Werte im Problemlösen und der Impunivität sowie in der Reaktionsbildung und in der Intellektualisierung/Rationalisierung. Zukünftige Erhebungen in weiteren Institutionen Bayerns sowie an verschiedenen forensischen Stichproben sind geplant.

 

 


 

Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
27. Jahrgang · 2020 · Heft 3

Pabst, 2020
ISSN 0945-2540
Preis: 15,- €

 

 

 

 

 

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