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Empirische Sonderpädagogik

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Published under Creative Commons: CC-BY-NC Licence


2023-3

Editorial
Psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern

Karolina Urton & Johanna Krull
https://doi.org/10.2440/003-0006


Emotionale Belastungen von Jugendlichen in Krisenzeiten – Eine vergleichende Untersuchung an inklusiven und Förderschulen
Carina Hübner & Tanja Jungmann
https://doi.org/10.2440/003-0007


An Integrated Model for School-Based Mental Health Assessment in Inclusive Education
Gino Casale & Andres De Los Reyes
https://doi.org/10.2440/003-0008


Unsichere Bindung, Emotionsregulationsstrategien und internalisierende Verhaltensprobleme bei Schüler*innen im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
Tijs Bolz, Jessica Wilke, Christina Vesterling, Annika Rademacher & Ute von Düring
https://doi.org/10.2440/003-0009


How relevant is teacher- and student-perceived relationship quality for mental health in special and regular schools?
Meike Vösgen-Nordloh, Tatjana Leidig, Helma Koomen, Gino Casale, Thomas Hennemann & Tijs Bolz
https://doi.org/10.2440/003-0010


Transition von der Sekundarstufe 1 in die Sekundarstufe 2: Einfluss einer diagnostizierten Angststörung oder Depression im Jugendalter auf nachobligatorische Ausbildungsverläufe
Sara Lustenberger, Matthias Wicki, Kathrin Brandenberg, Sergej Wüthrich & Caroline Sahli Lozano
https://doi.org/10.2440/003-0011


 

Editorial
Psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern

Karolina Urton & Johanna Krull


 


Emotionale Belastungen von Jugendlichen in Krisenzeiten – Eine vergleichende Untersuchung an inklusiven und Förderschulen
Carina Hübner & Tanja Jungmann


Zusammenfassung
Die Inzidenz emotionaler Belastungen im Kindes- und Jugendalter ist durch die pandemiebedingten Schulschließungen deutlich gestiegen. Da Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung (FSP EsE) über ungünstigere Coping-Strategien verfügen, um mit den Herausforderungen in krisengeprägten Zeiten umzugehen, wird erwartet, dass ihr emotionales Belastungserleben im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ohne FSP erhöht ist. Insgesamt nahmen N = 108 Jugendliche im Alter von 14;10 bis 17;4 Jahren an den Befragungen in Nordrhein-Westfalen teil, davon n = 68 mit und n = 40 ohne den FSP EsE. Von den Jugendlichen mit dem FSP ESE besuchten n = 38 eine Förderschule und n = 30 eine inklusive Schule. Die Erhebungen fielen mit dem Beginn der zweiten Welle der Corona-Pandemie und dem Beginn des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine zusammen. Zur Erfassung des Angsterlebens wurde der Phobiefragebogen (PHOKI; Döpfner et al., 2006) eingesetzt. Das Erleben und die Bewältigung von Stress wurde über den SSKJ 3-8 R (Lohaus et al., 2018) erfasst. Unabhängig vom Vorliegen eines FSP und der Beschulungssituation sind die Werte in allen drei Gruppen auf den Skalen Trennungsängste, soziale Ängste sowie Schul- und Leistungsängste hoch. Marginal signifikante Unterschiede in den Schul- und Leistungsängsten sowie im Wohlbefinden sind zwischen Jugendlichen, die eine Förderschule besuchen und Jugendlichen ohne FSP nachweisbar. Signifikante Geschlechtsunterschiede ergeben sich zuungunsten der Mädchen. Die Professionalisierung des pädagogischen Personals und die Ausgestaltung der pädagogischen Begleitung in allen Schulsystemen muss verstärkt darauf ausgerichtet werden, auch die internalisierenden Problembelastungen der Jugendlichen zu erkennen und sie adäquat bei
deren Bewältigung zu unterstützen.

Schlagwörter: Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung, internalisierende Verhaltensauffälligkeiten, Coping-Strategien, Angst

 

Emotional strains of adolescents in times of crises in inclusive and special schools


Summary
The incidence of emotional stresses and strains in childhood and adolescence has risen due to pandemic-induced lockdowns of schools. Adolescents with emotional and behavioural difficulties (EBD) have disadvantageous strategies to cope with challenges in times of crisis. Therefore, we expected higher emotional stresses and strains in comparison to children and adolescents without EBD. In total, N = 108 adolescents aged 14;10 to 17;4 years participated in the survey in North Rhine-Westphalia, n = 68 with and n = 40 without EBD. Of those with special needs, n = 38 attended a special school and n = 30 an inclusive school. The survey coincided with the second wave of the Corona pandemic and with the start of the Russian war of aggression against the Ukraine. We assessed anxiety experiences with the phobia questionnaire (PHOKI; Döpfner et al., 2006). To assess experiences of stress and coping strategies, we administered the SSKJ 3-8 R (Lohaus et al., 2018). Independent of EBD and the educational setting, separation anxiety, social anxiety, as well as school and achievement anxieties are high. Scores of adolescents with and without EBD differed marginally significant in school anxiety, achievement anxiety, and wellbeing. Above, we found significant gender effects disadvantaging the girls. Pedagogical staff and the arrangement of pedagogical attendance should be geared to a stronger extent to detect and adequately foster adolescents with internalizing problems.

Keywords: Emotional and behavioural difficulties, internalizing behaviour problems, coping strategies, anxiety


Korrespondenzadresse:
Dr. Carina Hübner
Universität Siegen
Adolf-Reichwein-Str. 2, 57076 Siegen
carina.huebner@uni-siegen.de


 


An Integrated Model for School-Based Mental Health Assessment in Inclusive Education
Gino Casale & Andres De Los Reyes


Summary
Mental health problems impact students’ social, emotional, and academical development, and as such these problems strongly predict learning difficulties and academic achievement generally. Students with disabilities and special needs are at greater risk for mental health problems. The assessment of mental health problems in students is therefore an important task for service providers in inclusive classrooms (especially special education teachers) in order to inform evidence-based school mental health services. In this paper, we propose an integrated conceptual model for assessing mental health in students in inclusive classrooms. The new model incorporates the consideration of teachers' professional competence in assessment, early identification of mental health problems, the contextualization of multi-informant data (e.g., students, parents, teachers), and the use of evidence-based yet usable methods. The model is specified to inclusive school contexts, and incorporated into a Multi-tiered System of Support (MTSS) framework.

Keywords: mental health, assessment, special education, inclusive education

 

Ein integriertes Modell zur Diagnostik der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in inklusiven Schulen


Zusammenfassung
Probleme der psychischen Gesundheit beeinflussen die soziale, emotionale und akademische Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Dementsprechend können sie Lernschwierigkeiten und Schulleistungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen bedingen. Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von psychischen Problemen. Die Diagnostik der psychischen Gesundheit ist dementsprechend eine wichtige Aufgabe für professionelle Fachkräfte (insbesondere Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung) in inklusiven Klassen, um eine Datengrundlage für evidenzbasierte schulische Förderung der psychischen Gesundheit zu schaffen. In diesem Beitrag schlagen wir ein integriertes konzeptionelles Modell für die Diagnostik der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in inklusiven Klassen vor. Das neue Modell verbindet die professionelle diagnostische Kompetenz von Lehrkräften, die frühzeitige Erkennung psychischer Probleme, die Kontextualisierung diagnostischer Daten aus Schüler-, Lehrkraft und Elternsicht sowie die Nutzung von evidenzbasierten und gleichzeitig anwendbaren Diagnose- und Fördermethoden. Das Modell wird für inklusive Settings spezifiziert und in den Kontext mehrstufiger Diagnose- und Fördersysteme eingebettet.

Schlüsselwörter: psychische Gesundheit, Diagnostik, Sonderpädagogik, inklusive Bildung


Korrespondenzadresse:
Gino Casale
Gaußstraße 20, D-42119 Wuppertal
gcasale@uni-wuppertal.de


 


Unsichere Bindung, Emotionsregulationsstrategien und internalisierende Verhaltensprobleme bei Schüler*innen im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
Tijs Bolz, Jessica Wilke, Christina Vesterling, Annika Rademacher & Ute von Düring


Zusammenfassung
Internalisierende Verhaltensprobleme gelten als essentieller Risikofaktor für das soziale, emotionale und schulische Wohlbefinden. Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung (ESE) weisen häufiger internalisierende Verhaltensprobleme auf. Die Grundannahmen der Bindungstheorie sowie die theoretischen Modelle der Entwicklungspsychologie bieten Erklärungsansätze für die Entstehung und das Verfestigen von Verhaltensproblemen. Die vorliegende Querschnittuntersuchung überprüft mittels Pfadanalyse direkte und indirekte Effekte von unsicheren Bindungsrepräsentationen auf funktionale und dysfunktionale Emotionsregulationsstrategien sowie auf internalisierende Verhaltensprobleme. Es wurden 141 Schülerinnen und Schüler (Alter = 7–15 Jahre) aus Förderschulen mit dem Schwerpunkt ESE mittels Selbsteinschätzungsfragebogen zu den zwei unsicheren Bindungsdimensionen—bindungsbezogene Angst und bindungsbezogene
Vermeidung—sowie zu funktionalen und dysfunktionalen Emotionsregulationsstrategien (internale und externale) befragt. Die internalisierenden Verhaltensprobleme der Schülerinnen und Schüler wurden aus Perspektive der Sorgeberechtigten erhoben und differenziert nach den drei Skalen ängstlich/depressive Symptome, körperliche Beschwerden sowie rückzüglich/depressive Symptome ausgewertet. Die Ergebnisse der Pfadanalyse zeigen einen positiven Effekt von bindungsbezogener Angst und internal-dysfunktionaler Emotionsregulation auf körperliche Beschwerden. Des Weiteren deuten die Ergebnisse auf einen positiven Effekt von bindungsbezogener Vermeidung und internal-dysfunktionaler Emotionsregulation auf ängstlich/depressive Symptome hin. Zudem lassen sich verschiedene indirekte Effekte feststellen. Der Zusammenhang zwischen bindungsbezogener Angst und körperlichen Beschwerden wird durch internal-dysfunktionale sowie internal-funktionale Emotionsregulation mediiert. Der Zusammenhang zwischen bindungsbezogener Vermeidung und körperlichen Beschwerden wird durch internal-funktionale Emotionsregulation mediiert. Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz von Bindungsdimensionen für Emotionsregulationsstrategien sowie internalisierende Verhaltensprobleme. Auf dieser Grundlage werden Limitationen und mögliche Implikationen für die zielgerichtete Förderung der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern diskutiert.

Schlüsselwörter: Bindung, internalisierende Verhaltensprobleme, Emotionsregulation, Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung, mittlere Kindheit

 

Insecure attachment, emotion regulation strategies, and internalizing behavioral problems students with emotional and behavioral disorders


Summary
Internalizing behavior problems are considered an essential risk factor for social-emotional and academic well-being. In particular, students with a need for special educational support in emotional and social development exhibit internalizing behavior problems. The basic assumptions of attachment theory as well as theoretically based models of developmental psychology offer explanations for the development and perpetuation of behavioral problems. The present cross-sectional study uses path analysis to examine direct and indirect effects of insecure attachment representations on functional and dysfunctional emotion regulation strategies and internalizing behavior problems. In total 141 children (7–15 years) attending special needs school for students with emotional and behavioral difficulties filled out self-report questionnaires, which assessed insecure attachment dimensions—attachment-related anxiety and attachment-related avoidance—and functional and dysfunctional emotional regulation. Students internalizing behavior problems were assessed from the perspective of caregivers and differentiated according to three scales: anxious/depressive symptoms, physical complaints, and regressive/depressive symptoms. The results of the path analysis show a positive effect of attachment-related anxiety and internal-dysfunctional emotion regulation on physical complaints. Furthermore, results suggest a positive effect of attachment-related avoidance and internal-dysfunctional emotion regulation on anxious/depressive symptoms. Additionally, various indirect effects can be identified. The association between attachment-related anxiety and physical complaints is mediated by internal-dysfunctional as well as internal-functional emotion regulation. The association between attachment-related avoidance and physical complaints is mediated by internal-functional emotion regulation. The results indicate the relevance of attachment dimensions in special needs schools. Methodological limitations, as well as initial implications for prevention and intervention measures will be discussed.

Keywords: attachment, internalizing behavior problems, emotion regulation, emotional and behavioral disorders, middle childhood


Korrespondenzadresse:
Dr. Tijs Bolz
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Ammerländer Heerstraße 114-118,
26129 Oldenburg
tijs.bolz@uni-oldenburg.de


 


How relevant is teacher- and student-perceived relationship quality for mental health in special and regular schools?
Meike Vösgen-Nordloh, Tatjana Leidig, Helma Koomen, Gino Casale, Thomas Hennemann & Tijs Bolz


Summary
Although current research indicates that sustainable dyadic teacher-student relationships (TSRs) can be socially protective against mental health problems, these findings refer primarily to teacher-perceived TSRs in regular schools (cf. Van Bergen et al., 2020). Therefore, this cross-sectional study examined how teacher- and student-perceived TSRs, as well as the disagreements of both perspectives, predict mental health problems in regular and special schools. A total of 228 students from German regular schools (M = 12.27), 245 students from German special schools for social, emotional, and behavioural difficulties (SEBD; M = 13.42), and their class teachers were surveyed about their perceived TSRs using the STRS (closeness, conflict, dependency; Pianta, 2001) and the SPARTS (closeness, conflict, negative expectations; Koomen & Jellesma, 2015). Teachers rated students’ mental health problems using the SDQ (Goodman, 2005). Multilevel analyses showed that dependency and conflict were positively related to mental health problems in both school types, with the effect of conflict being lower in special schools. A positive association between negative expectations and mental health problems was only found in special schools. In both school types, mental health problems increased, the more conflict-perceptions differed (in that teachers rated conflict higher). In special schools, mental health problems decreased with a greater disagreement of closeness-perceptions (in that students rated closeness higher). These results indicate that reducing conflict and dependency may buffer mental health problems in both school types, and reducing negative expectations in special schools. Addressing disagreements in conflict-perceptions seems to be important for both school types and addressing closeness-disagreements for special schools.

Keywords: teacher-student relationships, mental health problems, regular schools, special schools


Wie wichtig ist die aus Lehrkraft- und Schüler:innensicht wahrgenommene Beziehungsqualität für psychische Gesundheit in Förder- und Regelschulen?


Zusammenfassung
Der bisherige Forschungsstand weist zwar darauf hin, dass eine tragfähige dyadische Lehrer*in-Schüler*in-Beziehung (LSB) ein sozialer Schutzfaktor gegenüber psychischen Problemen sein kann, bezieht sich dabei aber vornehmlich auf die lehrkraftbeurteilte LSB sowie auf das Regelschulsetting (zur Kritik vgl. Van Bergen et al., 2020). Deswegen untersuchte diese Querschnittsstudie, inwiefern die aus Lehrkraft- und Schüler*innensicht wahrgenommene LSB sowie die Nicht-Übereinstimmungen beider Perspektiven psychische Probleme in Regel- und Förderschulen vorhersagen. 228 Schüler*innen aus Regelschulen (M = 12.27) und 245 Schüler*innen aus Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung (FSP ESE; M = 13.42) sowie ihre Lehrkräfte wurden mit der STRS (Nähe, Konflikt, Abhängigkeit; Pianta, 2001) und SPARTS (Nähe, Konflikt, Negative Erwartungen; Koomen & Jellesma, 2015) zur wahrgenommenen LSB befragt. Lehrkräfte beurteilten die psychischen Probleme der Schüler*innen mittels SDQ (Goodman, 2005). Mehrebenenanalysen zeigten positive Zusammenhänge von Abhängigkeit sowie Konflikt mit psychischen Problemen, wobei der Effekt des Konflikts in Förderschulen geringer war. Ein positiver Zusammenhang zwischen Negativen Erwartungen und psychischen Problemen zeigte sich nur in Förderschulen. In beiden Schulformen stiegen psychische Probleme, umso stärker die Wahrnehmungen des Konflikts voneinander abwichen (insofern, als Lehrkräfte Konflikt höher einschätzten). In der Förderschule sanken psychische Probleme bei stärkerer Nähe-Wahrnehmungsabweichung (insofern, als Schüler*innen Nähe höher einschätzten). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Reduzieren von Konflikt und Abhängigkeit in beiden Schulformen und die Reduktion von Negativen Erwartungen insbesondere in Förderschulen einen mildernden Einfluss auf psychische Probleme haben kann. Die Auseinandersetzung mit Konflikt-Diskordanzen scheint relevant für beide Schulformen und die Auseinandersetzung mit Nähe-Diskordanzen bedeutsam für die Förderschule zu sein.

Schlüsselwörter: Lehrer*in-Schüler*in-Beziehung, psychische Probleme, Allgemeine Schule, Förderschule


Korrespondenzadresse:
Meike Vösgen-Nordloh
Universität zu Köln
Klosterstraße 79b, 50931 Köln
meike.voesgen@uni-koeln.de


 


Transition von der Sekundarstufe 1 in die Sekundarstufe 2: Einfluss einer diagnostizierten Angststörung oder Depression im Jugendalter auf nachobligatorische Ausbildungsverläufe
Sara Lustenberger, Matthias Wicki, Kathrin Brandenberg, Sergej Wüthrich & Caroline Sahli Lozano


Zusammenfassung
Der negative Einfluss psychischer Erkrankungen wie Angststörung oder Depression während des Jugendalters auf den weiteren Lebenslauf ist gut dokumentiert. Über deren Einfluss auf den Verlauf der nachobligatorischen Ausbildung ist jedoch deutlich weniger bekannt, obwohl Ausbildungsverläufe den weiteren Lebenslauf massgeblich beeinflussen. Die vorliegende Studie untersucht deshalb, inwiefern eine diagnostizierte Angststörung oder Depression (Angststörung/Depression) auf Sekundarstufe 1 (Sek1) eine Ausbildungssituation mit niedrigerem Anforderungsniveau oder eine kritische Transition auf Sekundarstufe 2 (Sek2) begünstigen können. Die Analysen basieren auf einer Längsschnittstichprobe von 1369 jungen Erwachsenen (Sek2: M = 19.08 Jahre). Regressionsanalysen und ein Propensity-Score-Matching wurden verwendet, um bezüglich leistungs-, eignungsbezogener und askriptiver Merkmale vergleichbare junge Erwachsene mit und ohne diagnostizierte Angststörung/Depression in der Sek1 zu untersuchen. Eine diagnostizierte Angststörung/Depression auf Sek1 hing signifikant mit einer Ausbildungssituation mit niedrigerem Anforderungsniveau (OR = 0.54, p = .032) auf Sek2 und einem grösseren Risiko eines verzögerten Ausbildungseinstiegs (z.B. OR = 6.00, p = .004, drittes Jahr Sek2) zusammen; bei denjenigen jungen Erwachsenen, die einen Ausbildungseinstig geschafft haben, zeigte sich jedoch kein Unterschied bezüglich des Anforderungsniveaus (OR = 0.81, p = .469). Eine diagnostizierte Angststörung/Depression auf Sek1 hing zudem mit einem grösseren Risiko eines Ausbildungsabbruchs (OR = 4.40, p < .001) oder Lehrbetriebswechsels (OR = 4.44, p = .001) zusammen. Die Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit der Prävention, Früherfassung und Behandlung von Angststörung/Depression im Jugendalter. Insbesondere
sollten die betroffenen Jugendlichen beim Einstieg in eine nachobligatorische Ausbildung unterstützt werden (Berufsorientierungsprozess, Bewerbungsprozess, Ausbildungs- und Lehrstellensuche). Je früher eine psychische Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird, desto besser ist die Prognose für den Rest des Lebens.

Schlüsselwörter: Angststörung, Depression, Jugendalter, Transition von der Sekundarstufe 1 in die Sekundarstufe 2, Inklusion

 

Transition from Lower to Upper Secondary Education: Influence of a diagnosed anxiety disorder or depression during adolescence on postcompulsory education trajectories


Summary
The negative influence of anxiety disorders or depression during adolescence on the further life course is well documented. However, less is known about their influence on post-compulsory education even though post-compulsory education trajectories themselves also affect the life course. The present study investigates whether a diagnosed anxiety disorder or depression (anxiety/depression) during lower secondary education (LSE) is a risk factor for an upper secondary education (USE) with a lower level of demand or a critical transition to USE. Analyses are based on a longitudinal sample of 1369 young adults (during USE: M = 19.08 years). Regression analyses and propensity score matching was used to examine comparable participants (in terms of achievement, aptitude, and ascriptive characteristics) with and without anxiety/depression during LSE. Anxiety/depression during LSE was significantly related to an USE with lower level of demand (OR = 0.54, p = .032) and a greater risk of not having started an USE (OR = 6.00, p = .004) at the third year of USE; however, those who have started an USE did not differ in terms of level of demand (OR = 0.81, p = .469). Furthermore, anxiety/depression during LSE was a risk factor for a discontinuation in education (OR = 4.40, p < .001) or change of apprenticeship company (OR = 4.44, p = .001) at USE. These findings show the importance of prevention, early intervention, and treatment of anxiety disorders and depression in adolescence. Affected adolescents should be supported when entering USE (career orientation process, application process, education, and apprenticeship search). The earlier a mental illness is diagnosed and treated, the better the prognosis for the rest of life.

Keywords: Anxiety disorder, depression, adolescence, transition from lower to upper secondary education, inclusion


Korrespondenzadresse:
Sara Lustenberger
Institut für Forschung, Entwicklung und
Evaluation
Pädagogische Hochschule Bern
c/o BeLEARN
Laupenstrasse 19, CH-3008 Bern
sara.lustenberger@phbern.ch

 


 

Empirische Sonderpädagogik
15. Jahrgang · 2023  · Heft 3

Pabst, 2024
ISSN 1869-4845
 

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