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Psychologie als Wissenschaft: Wie Emeriti ihre eigene Vergangenheit und die Zukunft der Forschung sehen

Wer und was bewegt die wissenschaftliche Psychologie? Emeriti skizzieren in einem neuen Reader ihre eigene wissenschaftliche Vita, ihre Schüler und ihre (teils kritischen) Anmerkungen zur aktuellen Forschung. 18 "Ruheständler" äußern sich in Band 5. der "Psychologie in Selbstdarstellungen" eher engagiert als distanciert. Trotz größter Unterschiede ist eine Gemeinsamkeit erkennbar: Die Faszination und kritische Reflexion ihres Berufs ist allen erhalten geblieben.

Mario von Cranach schreibt den Kollegen Systemtheoretisches in´s Tagebuch: "Handlungen sind nicht indeterminiert, aber ihre Determinanten entstehen erst im Augenblick der Entscheidung bzw. des Entschlusses zur Ausführung. Angesichts der Organisation der belebten Welt in vielstufigen Systemen erscheint es mir nicht sinnvoll, eine durchgängige Naturkausalität anzunehmen."

Dietrich Dörner stellt sich deutlich gegen den Mainstream: Die psychologische Forschung hat zwei Aufgaben. "Man muss Theorien bilden, um dann daraus Ableitungen generieren zu können, die man empirisch oder in anderer Form prüft. In der Psychologie ist die Theoriebildung fast vollständig verkümmert; die Prüfung der Wahrheit von Aussagen geschieht nicht, wie in allen anderen Wissenschaften, dadurch, dass man untersucht, ob ein Geschehen aus einer Theorie ableitbar ist. Die Prüfmethode in der Psychologie besteht darin, dass man untersucht, ob eine Menge von Ereignissen mit einer anderen statistisch signifikant korreliert. Theoriebildung bleibt dabei fast vollkommen auf der Strecke. Zugleich bleibt auf der Strecke die Analyse von Einzelfällen und damit zum Beispiel auch die Analyse von historischen Ereignissen. Und so ist die Psychologie im Großen und Ganzen zu einer sehr langweiligen Wissenschaft geworden."

Jochen Fahrenberg und Gerd Jüttemann vermissen eine adäquate, bereichernde, stimulierende Rezeption der Arbeiten von Wilhelm Wundt. Gerd Jüttemann wünscht der Psychologie (in Anlehnung an Wundt) eine neue, spannende Verbreiterung ihres Fokus und ihrer Methoden: "Die Menschheitsentwicklung vollzieht sich als Evolution und kollektive Autogenese. Es gilt, vor allem den letztgenannten Prozess grundlegend zu erforschen. Ich würde mir wünschen, dass dies innerhalb der Psychologie geschehen und eine so erweiterte Disziplin die Basis für eine integrative Humanwissenschaft werden könnte."

Winfried Hacker warnt: "Es wäre verhängnisvoll, wenn - im Zuge des Zerfalls der psychologischen Ausbildung in zahlreiche Angebote - die Psychologie ihr mühsam erarbeitetes Profil als eine selbstständige geschlossene Wissenschaftsdisziplin mit gediegener theoretischer Basis verlöre oder sich selbst auf einen elitären Zirkel englisch publizierender Forscher reduzierte."

Anderseits sieht Gerd Lüer: "Die Forschung hat in unserem Fach durch Breite und Tiefe dazu geführt, dass sie fächerübergreifend anerkannt und gefördert wird. Hinzu gekommen ist eine in viele Richtungen gehende Professionalisierung, die unseren Studierenden zahlreiche berufliche Orientierungen bietet. In meinen Augen mangelt es aber noch immer an einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Forschung und Anwendung. Grundlagenerwerb und der Erwerb von elementaren Anwendungskompetenzen sind beides unverzichtbare Bausteine einer verantwortungsvoll geplanten Universitätsausbildung in der Psychologie ..."

Herbert Selg ist unter dem Eindruck eigener schwerer Krankheit zu der Auffassung gekommen: "Ich wünsche mir, dass Philosophie wieder ein Pflichtfach im Studiengang Psychologie wird. Ich kann mir z.B. keine bessere Einführung in die Klinische Psychologie vorstellen als Texte von Epikur..."

Das Buch ist prall mit Reminiszenzen gefüllt, doch der Blick richtet sich immer wieder nach vorn. Manfred Amelang kann es nicht lassen, sich mit seinem T-Shirt zu zeigen, dessen Inschrift auf ganzer Brustbreite lautet: "Lieber Hockenheim als Altersheim".




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