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Kognitive Belastungen beim Lesen im Internet: Was Pupillengröße und Hirnströme verraten können

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Seit Jahren thematisieren Experten die Auswirkungen des Internets auf unser tägliches Leben, auf unsere Art zu denken und unser Gehirn. Der allgegenwärtige Zugriff auf die verschiedensten hypermedialen Informationsangebote im Web bietet Vorteile. Andererseits: Leiden wir nicht zunehmend unter der Last der Informationsüberflutung? Wird unser Leseverhalten nicht zwangsläufig immer oberflächlicher? In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) mit einer neuartigen Methode der kombinierten Hirnstrom- und Blickbewegungsmessung versucht, der kognitiven Belastung beim Lesen von hypermedialen Informationsangeboten besser auf die Spur zu kommen.

Seit Jahren thematisieren Experten die Auswirkungen des Internets auf unser tägliches Leben, auf unsere Art zu denken und unser Gehirn. Der allgegenwärtige Zugriff auf die verschiedensten hypermedialen Informationsangebote im Web bietet Vorteile. Andererseits: Leiden wir nicht zunehmend unter der Last der Informationsüberflutung? Wird unser Leseverhalten nicht zwangsläufig immer oberflächlicher?
In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) mit einer neuartigen Methode der kombinierten Hirnstrom- und Blickbewegungsmessung versucht, der kognitiven Belastung beim Lesen von hypermedialen Informationsangeboten besser auf die Spur zu kommen.

Es ist nicht nur die schiere Menge an Informationen, die beim Lesen in den umfangreichen Hypertexten im Internet Probleme bereitet, gutes digitales Lesen, z. B. in der Wikipedia, setzt zusätzlich auch mehr Eigenaktivitäten voraus als das Lesen in Büchern. Digitales Lesen verlangt z. B. permanente Überlegungen zur Auswahl von Links, zur Einschätzung ihrer Relevanz und Qualität, aber auch zur Herstellung von inhaltlichen Zusammenhängen zwischen den vernetzten Informationsangeboten. Was passiert bei derartigen Leseprozessen im Kopf? Wie stark werden wir tatsächlich kognitiv durch sie belastet? Und vor allem: Wie lässt sich diese Belastung möglichst objektiv erfassen? Zu derartigen Fragen führten Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Multimodale Interaktion des IWM unterschiedliche Studien durch. Diese sollten vor allem Belastungen des sogenannten Arbeitsgedächtnisses beim Hypertextlesen nachweisen, jener "Zentrale" im Gehirn, in der neue Informationen mit bekanntem Wissen verknüpft und verarbeitet werden. Das Arbeitsgedächtnis ist beim Lesen ohnehin schon gefordert, z. B. um einen Text zu verstehen und dabei eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Hypertexte könnten hier eine zusätzliche Belastungsquelle darstellen: Erreicht der Leser einen Hyperlink, so muss er sich entscheiden, ob er diesem folgen soll oder nicht. Dieser Entscheidungsprozess findet im Arbeitsgedächtnis statt. Stößt man beim Lesen auf einen Hyperlink, so könnte dies jeweils zu einer besonders hohen kognitiven Belastung führen. Um dies nachzuweisen, nutzen Dr. Christian Scharinger, Dr. Yvonne Kammerer und Prof. Dr. Peter Gerjets vom IWM eine innovative Methode in ihrer experimentellen Forschung: Die kombinierte Erhebung von Blickbewegungsdaten und Frequenzenergiedaten des Elektroenzephalogramms (EEG). Die Größe der Pupille sowie die Energie der Hirnströme in bestimmten Frequenzbereichen des EEG zeigen dabei das Ausmaß an kognitiver Belastung an, wie zuvor in einer Arbeitsgedächtnis-Studie mit Laboraufgaben gezeigt werden konnte.

Erstmalig wurde diese Methode nun auf eine freie Lesesituation mit (simulierten) Hyperlinks übertragen. Mit Hilfe der Blickbewegungsmessung konnte für jeden Zeitpunkt bestimmt werden, ob Textbereiche mit bzw. ohne Hyperlinks gelesen wurden. Auf diese Weise lässt sich vergleichen, ob sich die Größe der Pupille sowie die Energie der Hirnströme in Abhängigkeit davon unterscheiden, ob ein gerade gelesener Satz Hyperlinks enthält oder nicht.
"Wie vermutet, zeigte sich beim Lesen von Sätzen mit Hyperlinks, dass die an dieser Stelle auftretenden Entscheidungsprozesse im Vergleich zu reinem Lesen tatsächlich zu erhöhter kognitiver Belastung führten," so Dr. Christian Scharinger, der die Studie federführend betreut hat. Dies war sowohl in der Energieveränderung der Hirnströme im EEG als auch in einer Vergrößerung der Pupille erkennbar. Die mit dem digitalen Lesen verbundenen kognitiven Anforderungen lassen sich damit bis auf die Ebene von Gehirnprozessen nachweisen.

In zukünftigen Studien möchte die Gruppe um Prof. Gerjets die Methode der kombinierten EEG-Blickbewegungs-Analyse nutzen, um kognitive Belastungen auch bei echten Hypertexten aus dem Internet (z. B. Wikipedia-Artikel) zu analysieren, aber auch um multimediale Lernangebote zu erforschen, die eine Verknüpfung von Text- und Bildinformationen im Arbeitsgedächtnis erfordern.
Ergebnisse dieser Studien könnten dazu beitragen, Hypertexte und multimediale Lernmaterialien möglichst nutzerfreundlich und effektiv zu gestalten, indem unnötige Belastungen des Arbeitsgedächtnisses vermieden werden.

Mehr Informationen:
Link zur Arbeitsgedächtnis-Studie mit Laboraufgaben: onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/psyp.12500/abstract
Link zur Hypertext-Studie: journals.plos.org/plosone/article




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