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Fast jedes zweite Kind erlebt elterliche Gewalt - Kinder- und Jugendhilfe kann zusätzlich traumatisieren

Fast jedes zweite Kind in Deutschland erlebt - zumindest gelegentlich - körperliche oder emotionale Vernachlässigung. Mehr als zehn Prozent der Kinder werden körperlich, mehr als sechs Prozent emotional extrem vernachlässigt, berichtet Professor Dr. Günther Deegener in seiner Dokumentation "Risiko- und Schutzfaktoren des Kinder- und Jugendhilfesystems". Die Neuerscheinung wurde am Mittwoch zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Bochum vorgestellt.

"Nach vorangegangener fast völliger Tabuisierung, Verdrängung und Nichtwahrnehmung des sexuellen Missbrauchs war es richtig, dass seit etwa 1980 der sexuelle Missbrauch gegenüber den anderen Formen der Kindesmisshandlung sehr stark im Vordergrund stand. Spätestens seit der Jahrtausendwende wäre es aber notwendig gewesen, wieder alle Formen der Kindesmisshandlung gleichberechtigt in den Blick zu nehmen." Doch die Kindesvernachlässigung und andere Formen der Gewalt werden bis heute sträflich vernachlässigt, kritisiert Günther Deegener. Er fordert von den einschlägigen Hilfesystemen die Gleichstellung von Opfern sexuellen und nichtsexuellen Missbrauchs.
 
Fast 15 Prozent der Kinder werden emotional und jeweils etwa zwölf Prozent körperlich bzw. sexuell missbraucht. Etwa 50 Prozent der Jungen und 45 Prozent der Mädchen erleben elterliche Gewalt; am häufigsten wird  "eine runtergehauen", am seltensten Feuer oder eine Waffe eingesetzt. Das Spektrum ist fast unbegrenzt, die Dunkelziffer hoch.
 
Die Schutz- und Helfersysteme leisten hochkomplexe Arbeit, können die Opfer jedoch in Ausnahmefällen zusätzlich traumatisieren. Eine Studie belegt die häufigsten Risiken:

  • Zu schnelles Handeln im Affekt und zu wenig Nachdenken im Rahmen einer Krisenintervention
  • Glaube an die objektive Beweisbarkeit
  • mangelndes Fachwissen
  • zu seltene Hinzuziehung außenstehender ExpertInnen
  • mangelnde Einsicht in die Auswirkungen des eigenen ideologischen und ethischen Hintergrundes
  • misstrauensbildender Umgang mit Betroffenen
  • Skandalisierung
  • bürokratische Mühlen mit Langsamkeit, Unerreichbarkeit, Widersprüchlichkeit, Desinteresse
  • mangelhafte Qualitäts- und Fehlerkontrolle eigenen Tuns
  • mangelhaft organisierte Strafjustiz

Eine andere Studie identifiziert bei misslungenen Kinderschutzverläufen:

  • Tunnelblick
  • Haltungsmängel
  • Einstellungsmängel
  • kognitives Abschalten
  • Angst, Fehler zu begehen
  • überzogene Optimalitätsansprüche
  • Abkapselung
  • Intransparenz
  • hohe Kränkbarkeit
  • Arbeiten ohne schriftliche Fixierung
  • Überbetonung aktiven Handelns, Missachtung des ´Schriftkrams´

Günther Deegener, als Psychologe seit mehr als 30 Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe engagiert, legt eine detaillierte Bestandsaufnahme des Hilfesystems vor und beschreibt konstruktiv Ansätze für nützliche, praktikable Weiterentwicklungen.

Risiko- und Schutzfaktoren des Kinder- und Jugendhilfesystems bei Prävention und Intervention im Kinderschutz
Deegener, Günther




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