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Entwicklung der Psyche in der Geschichte der Menschheit: ontisches Kleingeld für große ontologische Formulierungen

Martin Heidegger reflektierte den Auszug unserer Spezies aus einer Umwelt und ihre Selbstübersiedlung in eine Welt: Die entscheidende ontologische Differenz besteht darin, dass das Tier in die Umwelt eingeschlossen ist und der Mensch Welt bildet. Thomas Slunecko und andere Psychologen widersprechen dem Befund nicht, de-ontologisieren ihn jedoch. "Gefragt wird nach dem opus moderandi, kraft dessen der Mensch die Umwelthülle aufgerissen hat, um in jene ´Lichtung einzutreten´, in der Heidegger ihn vorfindet." "Die Entwicklung der Psyche in der Geschichte der Menschheit" ist Thema eines aktuellen Aufsatzbandes. Slunecko und Kollegen setzen hier an, "für ontologische Formulierungen ontisches Kleingeld" zu erarbeiten.

Den Rauswurf aus der Umwelt verortet Slunecko: "Der Präsapiens nimmt den Stein in die Hand und beginnt damit zu schlagen, zu werfen und zu schneiden. Dabei kommt das Grundprinzip der Technik - die Entlastung vom Körperkontakt mit der Umwelt - zum Zuge. Insbesondere dehnt sich mit dem Werfen der vom werdenden Menschen beherrschte Umraum dramatisch aus... Damit stellen sich neue Anforderungen an die Stressverarbeitungskapazität ... Dieses Aushalten von gegenläufigen Reaktionstendenzen spannt das auf, was zur spezifischen menschlichen Bewusstseinslage wird: Bewusstsein in Distanz.

Zustimmend zitiert Slunecko Peter Sloterdijk: "Die gestische Einheit von Laufen auf der Flucht, Sichumdrehen und Werfen nach dem Angreifer stellt das älteste Aktionsmuster dar, das die Hominisation vorantreibt und die Entstehung eines spezifisch menschlichen Gruppeninnenklimas ermöglicht." Durch das Verschränken von Laufen und Werfen bzw. das Übergehenkönnen von Flucht in Angriff "bildet sich um die Inhaber solcher Sonderkompetenzen ein unsichtbarer Ring - ein Abstand von aller übrigen Natur ... Man könnte geradezu von der Geburt des Menschen aus dem Geist des Gegenangriffs sprechen ..."

Auch Affen kommunizieren relativ differenziert. Doch Menschen lernen als Erste, über "Gegenstände" zu kommunizieren. Rolf Oerter bildet in seinem Beitrag zum Aufsatzband die Hypothese: "Menschliche Vergesellschaftung erfolgt auf der Grundlage des gemeinsamen Gegenstandsbezugs." "Gegenstände werden hier nicht verstanden als materielle Dinge, die unabhängig von uns existieren, sondern als etwas, auf das wir uns handelnd beziehen und dem wir eine bestimmte Bedeutung verleihen. In der Philosophie wird diese Sichtweise von Edmund Husserl durch die Intentionalität gekennzeichnet. Auch bei Franz Brentano, von dem Husserl diesen Begriff übernommen hat, sind psychische Phänomene auf Objekte gerichtete Akte ..."

Gerd Jüttemann, Herausgeber des Werkes, gibt zu bedenken: "Vielleicht geht es in letzter Konsequenz nicht  nur darum, die Historizität des Psychischen, sondern auch darum, die Psychizität des Historischen zergliedernd zu betrachten und damit das Wesen der Lebendigkeit in der Vielfalt seiner kulturellen Ursprünge und Ausdrucksformen zu erfassen." Jüttemann hat das Buch als Anfang einer Reihe konzipiert, die interdisziplinär die Entwicklung der Psyche in der Geschichte der Menschheit untersucht und reflektiert.

Die Entwicklung der Psyche in der Geschichte der Menschheit
Auf dem Weg zu einem integrativen Ansatz
Jüttemann, Gerd (Hrsg.)




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