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Emanzipierte Psychotherapie wirkt als Praxis der Freiheit

Psychotherapie ist neutral und unabhängig – so sollte es zumindest sein. Die Psychotherapeutin Angelika Grubner aber stellt die These auf, dass die Psychotherapie noch nie in neutraler, also unpolitischer und machtfreier Position gewirkt hat, sondern immer schon politisch war und auch heute noch ist. Ihre Argumentation veröffentlichte sie in der aktuellen Ausgabe des Journals „Psychologie & Gesellschaftskritik“ (2/3-2018).

Grubner setzt an der weit verbreiteten Vorstellung an, das Konstrukt „Psyche“ sei eine „ahistorische Entität“ und dementsprechend schon immer vorhanden. Tatsächlich sei die Psyche erst im Laufe des Kapitalismus auf ein entsprechendes Realitätsniveau gehoben worden. Sie verstehe die Psyche und den Kapitalismus als „ko-konstitutive Entwicklungen“: Beide wurden zeitgleich zu erfahrbaren Kategorien der Moderne. Dabei sei die Psyche selbst als Teil der kapitalistischen Logik zu verstehen.

Dementsprechend postuliert Grubner, die Psyche als mächtiges diskursives Konstrukt innerhalb des gesellschaftlichen Geschehens zu verorten – als fester Bestandteil einer Subjektivität und daraus folgend zwangsläufig auch als Politikum.

In den heutigen neoliberalen Zeiten wird von jedem verlangt, sich als „unternehmerisches Selbst“ zu sehen, jeden Lebensbereich einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis zu unterwerfen. Dabei wird das „Ich“ zur Leitinstanz, die es zu pflegen gilt. Körper und Seele, also Psyche, sollen gleichermaßen im bestmöglichen Zustand gehalten werden. Ein permanentes Streben nach Selbstverbesserung, in dessen Kerbe die heutigen Psychotherapieangebote bereitwillig schlagen: „Ziele erreichen“, persönlich wachsen“, „Potentiale entfalten“, lauten die therapeutischen Versprechungen, zu einem großen Teil auch an Personen jenseits schwerer psychischer Erkrankungen gerichtet. Die Psychotherapie „vermittelt zwischen der neoliberalen Subjektivierungsweise der Selbstbestimmung, -optimierung und -verantwortung im Sinne der Marktförmigkeit und der ‚psychischen Ökonomie eines Subjekts‘“. Und wird damit zu einer „Psychopolitik“.

Kann sich die Psychotherapie überhaupt aus diesem politischen Korsett lösen, sich emanzipieren? Dazu wären eine komplette Ausweisung aus und Hinterfragung von Verhältnissen notwendig, mit denen sie auf das Engste verbunden ist. Angelika Grubner schlägt vor, „nach Ideen und Denkansätzen Ausschau zu halten, die die neoliberale Ideologie zu erschüttern oder (zumindest) in minimalen Aspekten zu überschreiben vermögen. Dies deshalb, als es gerade wir Psychotherapeut_innen sind, die tagtäglich die Leidenszustände der ökonomisierten Subjektivität präsentiert bekommen“. Ein kleiner Schritt zu einem großen Ziel: Psychotherapie als „Praxis der Freiheit."

 

Literatur

Angelika Grubner: Die Verstrickung von Psychotherapie und neoliberaler Politik.

In:Psychologie & Gesellschaftskritik, 42 (2/3), 7–23. Pabst Science Publishers.




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