Für Gefangene mit einer Drogenvorgeschichte, insbesondere bei Heroin-Konsum, ist die unmittelbare Zeit nach der Entlassung deshalb so kritisch, weil die Rückfallrate enorm hoch ist und die Opiat-Toleranz gleichzeitig extrem niedrig, so dass Überdosierungen besonders häufig zum Tod führen. "Es muss noch viel getan werden, um sicherzustellen, dass Menschen mit einer schweren Drogengeschichte ausreichend betreut werden, wenn sie aus dem Gefängnis entlassen werden. Dies ist aktuell leider nicht der Fall. Oft werden sie ab dem Zeitpunkt der Entlassung im Stich gelassen. Durch die Zusammenarbeit zwischen Gefängnissen, Gesundheitsdienstleistern und NGOs müsste eine Kontinuität bei der Betreuung erzielt werden", erklärt Stöver. "Schadensreduzierungsmaßnahmen müssten so konzipiert werden, dass sie sowohl in den Gefängnissen funktionieren, als auch in Freiheit greifen und sich dieser Situation anpassen." Ziel des Projektes ist es deshalb, die Lücken in der Kontinuität der Betreuung von Langzeitdrogenkonsumenten im Gefängnis und nach der Entlassung zu schließen, indem Harm-Reduction-Maßnahmen nicht unterbrochen werden.
Die Handlungsfelder des Projekts im Einzelnen:
1. Um mehr über das Risikoverhalten von Drogenkonsumierenden in und nach der Haft zu erfahren, werden Konsumierende aus vier europäischen Ländern durch Befragungen in die Forschung eingebunden.
2. Es werden Leitlinien für politische Entscheidungsträger und Praktiker aus dem Gefängnisgesundheitswesen zur Förderung, Einleitung und Verwaltung von Präventionsangeboten zur Vermeidung von Überdosierungen beispielsweise durch Naloxon-Programme erstellt, um die fachspezifische Ausbildung in diesem Bereich zu verbessern und den nötigen Kapazitätsaufbau darzulegen.
3. Erstellung und Verteilung von Schulungsmaterialien (z.B. Trainingscurriculum) und Broschüren
4. Verbreitung von Wissen und bewährten Verfahren zur Kontinuität der Versorgung - einschließlich medizinischer Versorgung und medikamentöser Behandlung (z.B. Substitutionsmaßnahmen)
5. Eine breitere europäische Öffentlichkeit für das Thema schaffen und die aktive Interaktion zwischen Stakeholdern aus verschiedenen Ländern fördern, indem ein Web-Portal eingerichtet wird.
"Es ist uns wichtig, für alle Akteure, die zur Verhütung von drogenbedingten Todesfällen nach der Haftentlassung beitragen können - also vom Gefängniswärter über den Sozialarbeiter bis zum Justizminister -, entsprechende Ansätze zu definieren, wie diese bestmöglich für die Problematik sensibilisiert werden können. Denn nur wenn letztlich alle an einem Strang ziehen und Hand in Hand arbeiten, können wir die Drogenabhängigen nach der Haft schützen", betont Stöver.