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Die ersten 48 Stunden in Freiheit entscheiden über Leben und Tod

Vor allem in den ersten beiden Wochen nach der Haftentlassung besteht für (ehemalige) Drogenabhängige ein besonders großes Risiko, an einer Überdosierung zu sterben. Am kritischsten sind die ersten 48 Stunden in Freiheit. Mit diesem Fakt sowie mit möglichen Präventivmaßnahmen beschäftigt sich Prof. Dr. Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Sein Forschungsprojekt "My first 48hrs. out - Comprehensive approaches to pre and post prison release interventions for drug users in the criminal justice system” hat das Ziel, Harm-Reduction-Konzepte (Ansätze zur Schadensminimierung) zur Prävention von drogenbezogenen Todesfällen nach Haftentlassung zu untersuchen, das Bewusstsein hierfür zu erhöhen, aufzuklären und für die Verschreibung von Opioid-Antagonisten wie Naloxon zu sorgen. Eingebunden werden sowohl Sozialarbeiter/-innen und Beratungsstellen, Gefängnisleitungen und -angestellte, Justizministerien wie auch die Drogenabhängigen selbst. Da ein Großteil der drogenbezogenen Todesfälle nach Haftentlassung im häuslichen Rahmen stattfindet, wird auch das Drogennotfalltraining von Familienmitgliedern und Freunden, das sie für den Fall einer Überdosis als Ersthelfer ausbildet, in den Blick genommen. Das Projekt wird von der Europäischen Union über eine Laufzeit von zwei Jahren mit 400.000 Euro gefördert.

Für Gefangene mit einer Drogenvorgeschichte, insbesondere bei Heroin-Konsum, ist die unmittelbare Zeit nach der Entlassung deshalb so kritisch, weil die Rückfallrate enorm hoch ist und die Opiat-Toleranz gleichzeitig extrem niedrig, so dass Überdosierungen besonders häufig zum Tod führen. "Es muss noch viel getan werden, um sicherzustellen, dass Menschen mit einer schweren Drogengeschichte ausreichend betreut werden, wenn sie aus dem Gefängnis entlassen werden. Dies ist aktuell leider nicht der Fall. Oft werden sie ab dem Zeitpunkt der Entlassung im Stich gelassen. Durch die Zusammenarbeit zwischen Gefängnissen, Gesundheitsdienstleistern und NGOs müsste eine Kontinuität bei der Betreuung erzielt werden", erklärt Stöver. "Schadensreduzierungsmaßnahmen müssten so konzipiert werden, dass sie sowohl in den Gefängnissen funktionieren, als auch in Freiheit greifen und sich dieser Situation anpassen." Ziel des Projektes ist es deshalb, die Lücken in der Kontinuität der Betreuung von Langzeitdrogenkonsumenten im Gefängnis und nach der Entlassung zu schließen, indem Harm-Reduction-Maßnahmen nicht unterbrochen werden.

Die Handlungsfelder des Projekts im Einzelnen:
1. Um mehr über das Risikoverhalten von Drogenkonsumierenden in und nach der Haft zu erfahren, werden Konsumierende aus vier europäischen Ländern durch Befragungen in die Forschung eingebunden.
2. Es werden Leitlinien für politische Entscheidungsträger und Praktiker aus dem Gefängnisgesundheitswesen zur Förderung, Einleitung und Verwaltung von Präventionsangeboten zur Vermeidung von Überdosierungen beispielsweise durch Naloxon-Programme erstellt, um die fachspezifische Ausbildung in diesem Bereich zu verbessern und den nötigen Kapazitätsaufbau darzulegen.
3. Erstellung und Verteilung von Schulungsmaterialien (z.B. Trainingscurriculum) und Broschüren
4. Verbreitung von Wissen und bewährten Verfahren zur Kontinuität der Versorgung - einschließlich medizinischer Versorgung und medikamentöser Behandlung (z.B. Substitutionsmaßnahmen)
5. Eine breitere europäische Öffentlichkeit für das Thema schaffen und die aktive Interaktion zwischen Stakeholdern aus verschiedenen Ländern fördern, indem ein Web-Portal eingerichtet wird.

"Es ist uns wichtig, für alle Akteure, die zur Verhütung von drogenbedingten Todesfällen nach der Haftentlassung beitragen können - also vom Gefängniswärter über den Sozialarbeiter bis zum Justizminister -, entsprechende Ansätze zu definieren, wie diese bestmöglich für die Problematik sensibilisiert werden können. Denn nur wenn letztlich alle an einem Strang ziehen und Hand in Hand arbeiten, können wir die Drogenabhängigen nach der Haft schützen", betont Stöver.




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