Zysno verdeutlicht an einer Reihe von Beispielen, wie problematisch ein unbefangener Umgang mit Zahlen im Alltag und in der Psychologie gerät: "Nach meinem Eindruck interpretieren Menschen die einzelne Zahl häufig als Faktum. Möglicherweise erleben sie die Zahl zwar als symbolisches, aber wesentliches Merkmal einer realen Gegebenheit. Das Kind lernt mit mehr oder minder großer Mühe, dass sieben Eier plus weitere sieben Eier 14 Eier ergeben. Und bei vielen Ereignissen des Alltags bestätigt sich diese Erfahrung. Aber: Kürzlich versuchte ich, einem durchaus gebildeten Bekannten auseinanderzulegen, dass seine Aussage ´Am Mittwoch (20 Grad Celsius) war es doppelt so warm wie am Dienstag (10 Grad Celsius)´ unrichtig sei. Nachdem er alle Anwesenden als Zeugen für seine Einschätzung berufen hatte, war für ihn die Angelegenheit erledigt.
Psychologen scheinen zum Teil ein ähnliches Urvertrauen gegenüber Zahlen zu besitzen, wenn man die Interpretation und Aggregation von Daten beobachtet. Dabei scheint man zu glauben, dass die auf einer Ratingskala mit sechs bewertete Zufriedenheit mit dem Partner vielleicht nicht genau doppelt soviel bedeutet wie die drei bei der Zufriedenheit mit der Waschmaschine, aber doch so ungefähr. Und die Drei und die Sechs einer anderen Person werden vielleicht nicht das Gleiche, aber etwas Ähnliches bedeuten. Wie könnte man sonst Mittelwerte über Ratingskalen bilden und den ernsthaften Versuch unternehmen, sie zu interpretieren?
Tatsächlich aber können Partner und Waschmaschinen nach völlig unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden, und jeder Mensch darf einen anderen Kriterienkatalog zugrunde legen. Die Dreien und die Sechsen können prinzipiell Abbilder völlig unvergleichbarer Dinge sein. Die forschungsökonomisch ideale Situation, für alle Sachbereiche einen generellen Zahlenkörper als Abbildungsraum zu verwenden, kann hier zum Bumerang werden ..."