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Maßregelvollzug in der Kritik: Psychisch kranke Menschen in der forensischen Psychiatrie

Ungeachtet großer Fortschritte in der medizinischen und psychosozialen Therapie sowie der sehr niedrigen Rückfallraten bei Straftaten sieht die Öffentlichkeit die Behandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug eher skeptisch. Berichte über Entweichungen, angezweifelte Gutachten und seltene Zwischenfälle bestimmen zu Unrecht das Bild in der Öffentlichkeit. Auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie in der Forensik stehen aktuell vermehrt in der Kritik. Dabei setzt die DGPPN schon seit vielen Jahren mit dem Schwerpunkt Forensische Psychiatrie und Psychotherapie auf eine qualitativ hochwertige, zertifizierte Fortbildung und fordert eine Reform des Maßregelrechts.

Was ist forensische Psychiatrie und Psychotherapie?

Aktuell wird die Behandlung von psychisch erkrankten Menschen mit der Besserung und Sicherung von psychisch kranken Straftätern verwechselt. Die Psychiatrie und Psychotherapie hat unter den medizinischen Disziplinen eine Sonderstellung: Sie übernimmt neben ihrem Heilauftrag als genuin ärztlicher Aufgabe zusätzlich für die Gesellschaft ordnungspolitische Aufgaben. Dazu gehört auch die "Besserung und Sicherung" im psychiatrischen Maßregelvollzug. Straftäter, die Gerichte aufgrund ihrer psychischen Erkrankung als nicht oder vermindert schuldfähig erklären, werden in forensisch-psychiatrische Kliniken (psychiatrischer Maßregelvollzug) zur fachgerechten Behandlung eingewiesen. Die Voraussetzungen dazu sind im Strafgesetzbuch geregelt. Voll schuldfähige Straftäter verbüßen hingegen ihre Strafe in Justizvollzugsanstalten. Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ist nicht Strafvollzug und ist nicht Sicherungsverwahrung.

Aktuelle Entwicklungen in der Forensik

In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl der behandelten Menschen in der forensischen Psychiatrie und Psychotherapie stark zugenommen. Dabei ist infolge der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Sicherheit die Verweildauer in der Forensik stark gestiegen. Bundesweit werden gegenwärtig rund 10.000 Patienten stationär im psychiatrischen Krankenhaus auf Grundlage des Strafgesetzbuches behandelt. Hinzu kommen mehrere tausend ambulant betreute Patienten in der forensischen Nachsorge. Die ambulante Nachbetreuung in den forensischen Institutsambulanzen ist bundesweit etabliert und arbeitet sehr erfolgreich (weniger als 5 Prozent Rückfälle).

Der Fall Mollath

Die derzeitige Berichterstattung über den Fall Mollath unterstellt aus Sicht der DGPPN der forensischen Psychiatrie, dass diese ein rechtloser Raum sei. Es ist die rechtsstaatliche Aufgabe des Gerichts und nicht die Pflicht der forensischen Psychiatrie, zu prüfen und festzustellen, ob sich die einem Menschen zur Last gelegten Straftaten überhaupt ereignet haben und nicht eventuelle Falschbezichtigungen eine Rolle spielen. Es ist auch alleinige Aufgabe des Gerichts, die Schwere von begangenen Straftaten zu bewerten. Gutachter haben eine diagnostische und prognostische Aufgabe. In Gerichtsverfahren entscheiden nicht sie, ob es eine Straftat überhaupt gegeben haben könnte oder ob der von ihnen untersuchte Proband sie begangen hat, sondern sie arbeiten angeleitet durch das Gericht.

Forderung der DGPPN

Das Bundesjustizministerium ist derzeit dabei, dem öffentlichen Druck nachzugeben und eine Reform des Maßregelrechts einzuleiten. Damit greift es endlich die seit 2011 von der DGPPN erhobene Forderung auf. Die Bedeutung einer korrekten Begutachtung in Hinblick auf Diagnose, Behandelbarkeit, Gefährlichkeitsprognose und Risikoabschätzung erfordert zwingend die Beteiligung forensisch-psychiatrischer Experten. Die DGPPN fordert den kommenden Bundestag und die neue Regierung auf, rasch eine Expertenkommission unter Einbezug der Expertise der forensischen Psychiatrie zu berufen.
 

Literatur zum Thema:
Wegschließen für immer? Ethische, rechtliche und soziale Konzepte im Umgang mit gefährlichen Menschen auf dem gesellschaftlichen Prüfstand
Haynert, Harald; Kammeier, Heinz (Hrsg.)




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