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Schief gehen will gelernt sein

Der Philosoph Ulf Heuner referierte auf dem Psychiatriekongress in Berlin über Psychopathologien des Missgeschicks

 

Missgeschicke sind keineswegs nur Stilblüten peinlicher, unbewusster Motive und Konflikte. Missgeschicke können auch entlasten und Peinlichkeiten überspielen. Psychopathologien des Missgeschicks analysierte der Philosoph Dr. Ulf Heuner ((am heutigen Mittwoch)) während der internationalen Psychiatrie- und Psychotherapie-Tagung (DGPPN) in Berlin. Zum gleichen Thema stellte er seine neue Monografie vor: "Missgeschicke - Eine Philosophie der kleinen und großen Katastrophen".

Ein tragikomisches Missgeschick findet Heuner exemplarisch auf See: Als der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia, Francesco Schettino, im Januar 2012 durch ein unvorsichtiges Fahrmanöver sein Schiff vor der toskanischen Insel Giglio zum Kentern brachte, sollte dies an dem Tag nicht sein einziges Missgeschick bleiben. Denn anschließend fiel er noch aus Versehen (?) in ein Rettungsboot. So erklärte er zumindest den Umstand, als einer der Ersten das kenternde Schiff verlassen zu haben. Am Beispiel Schettinos verdeutlicht Heuner, wie Missgeschicke als Ausrede dienen können.

Anders als die Phänomene des Pechs, bei der Zufall das entscheidende Kriterium sei, oder des Scheiterns, das immer mit Inkompetenz zusammenhänge, erweisen sich Missgeschicke als paradoxe Phänomene: Wir sind für sie immer zugleich verantwortlich und nicht verantwortlich. Denn bestimmte Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben, sorgen dafür, dass es zwangsläufig schief gehen muss. Als solche Faktoren nennt Heuner z.B. andere Menschen, unbewusste Prozesse unseres Gehirns, unseren unkontrollierbaren Körper oder die berüchtigte Tücke des Objekts.

So zahlen Haftpflichtversicherungen bei einem Verkehrsunfall nur dann, wenn einerseits ein Verkehrsverursacher eindeutig als Verantwortlicher identifiziert werden kann, andererseits aber quasi verminderte Schuldfähigkeit vorliegt. Das heißt, der Unfall darf weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht worden sein, sondern muss sich eben als ein Missgeschick ereignet haben. Jemand, der eine Versicherung betrügen will, muss gegenüber der Versicherung das Missgeschick glaubhaft in der Balance von verantwortlich und nicht-verantwortlich schildern, er muss zum Philosophen des Missgeschicks werden. Den Kapitän Francesco Schettino hält Ulf Heuner in diesem Sinne für keinen großen Philosophen.




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