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Neue Chance für den freien Willen

Haben wir keinen freien Willen? Entscheidet unser Gehirn schon über unsere Aktionen, bevor wir eine Bewegung überhaupt ausführen? Wenn man frühe Experimente nimmt, könnte man das so interpretieren. Mit einem neuen Versuch hat eine Freiburger Forschergruppe nun die Unstimmigkeiten im sogenannten Libet-Paradox verringert.

Der Physiologe Benjamin Libet bat Anfang der 1980er-Jahre seine Versuchspersonen, den Moment anzugeben, in dem sie sich für eine Handlung entscheiden. Sie lag meist etwa 200 Millisekunden vor der Bewegung. Als Grundlage diente Libet ein Experiment mithilfe der Elektroenzephalografie von Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke aus dem Jahr 1965. Sie hatten herausgefunden, dass sich ungefähr eine Sekunde vor der Ausführung einer spontanen Bewegung ein negatives Signal im Gehirn aufbaut. Dieses wird seither Bereitschaftspotential genannt. Libets Experiment, dass die Zeit zwischen bewusster Handlungsabsicht und -ausführung sehr viel kürzer ist, wurde deshalb häufig so interpretiert, dass der Mensch keinen freien Willen habe. Denn in dem Moment, in dem man glaube, sich eigenständig zu entscheiden, seien im Gehirn schon die ganzen Vorbereitungen angelaufen.

In einem neuen Versuch konnte nun eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Stefan Schmidt, Psychologe an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, erstmalig empirisch nachweisen, dass der frühe Teil des Bereitschaftspotentials länger als 500 Millisekunden vor der Bewegung, auf das stets schwankende langsame Hirnpotential zurückzuführen ist. Ist dieses in dem Moment negativ, initiieren die Versuchspersonen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Handlung. Diesen Zusammenhang zwischen spontanen Schwankungen und Handlungsinitiierung haben französische Forscher bereits in einem theoretischen Modell postuliert. "Unser Experiment zeigt auf, dass das frühe Bereitschaftspotential bis ca. 500 Millisekunden vor der Handlung auf diese Schwankungen zurückzuführen ist. Es hat definitv nichts mit der Bewegungsvorbereitung zu tun", sagt Professor Schmidt.

Anders dagegen ist der Zusammenhang für den Zeitraum zwischen 500 Millisekunden und dem Beginn der Bewegung zu sehen. Prof. Stefan Schmidt: "Dieses Potential hat in der Tat ziemlich sicher mit der Bewegungsvorbereitung zu tun." Damit sei das Libet-Paradox nicht aus der Welt, so Schmidt für die Freiburger Arbeitsgruppe, "aber die Unstimmigkeit, die es zu klären gibt, ist auf etwa 300 Millisekunden reduziert". Denn vor dem Freiburger Forschungsergebnis "hat man die Signale von zwei bis zweieinhalb Sekunden vor der Bewegung noch als bewegungsvorbereitend interpretiert". Die neuen Erkenntnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Experimental Brain Research veröffentlicht.

Literatur zum Thema:
Willensfreiheit – eine Illusion?
Naturalismus und Psychiatrie
Heinze, M.; Fuchs, T.; Reischies, F. (Hrsg.)




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