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Entwicklung in der Imagination - Imaginative Entwicklung

Der Band versammelt neue theoretische und klinische Aufsätze zur Katathym-Imaginativen Psychotherapie (KIP).
Deutlich wird die Breite therapeutischer Möglichkeiten der Arbeit mit Imaginationen bei der Behandlung von neurotischen, funktionellen und psychosomatischen Störungen.
Die psychoanalytischen Grundlagen der KIP und die theoretischen Weiterentwicklungen kommen dabei ebenso zur Sprache wie das praktische Vorgehen zum Beispiel in Krisensituationen, in der Traumatherapie oder bei Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung.


Inhalt:

Beiträge aus der psychoanalytischen Theorie

Dieter Bürgin:
Die Entwicklung triadischer Beziehungen

Andreas Hamburger:
Traumerzählung und Zeit in der psychoanalytischen Sitzung


Theoretische Überlegungen und klinische Anwendung der KIP

Bernhard Brömmel:
Characteristic Problems in Treating Patients with Severe Personality Disorders

Barbara Hauler, Harald Ullmann:
"Sex and Gender" - Der kleine Unterschied und seine Folgen für die KIP

Georg Rasch:
Die Anerkennung der Vergeblichkeit - Über den Groll

Mathilde Pichler:
Objektbeziehung, Symbolisierung und Psychosomatik

Angelica Seithe-Blümer:
Die Bedeutung guter innerer Objekte für Entwicklung und Therapie

Monika Schnell:
Die kreative Kraft der Imaginationen - Gedanken zur ästhetischen Dimension der Katathym-Imaginativen Psychotherapie

Hermann Pötz:
Die psychovegetative Entspannung als basales therapeutisches Agens der KIP

Cisca Aerts:
Autismus und KIP, eine (Un)Möglichkeit?!

Doris Voss-Coxhead, Manfred Rust:
Religiöse Erziehung und neurotische Entwicklung - Erfahrungen aus Behandlungen mit der KiP

Ludvík Bet’ák:
Baum und Traumbaum


Demonstrationen der therapeutischen Praxis der KIP

Leonore Kottje-Birnbacher:
Das therapeutische Potential der KIP - Eine Analyse anhand eines Fallbeispiels

Monika Bürgi-Kraus:
Die Tochter des Schweigens

Mariann Hagbarth:
The Creative and Healing Power of Symboldrama


Besondere Anwendungsgebiete der KIP

Waltraut Bauer-Neustädter:
"Bridge Over Troubled Water" - die Imagination als Brücke in der Therapie Adoleszenter und junger Erwachsener

Doris Hönigl:
Der Sog der Quelle - Bachverlauf von Adoleszenten

Gabriele Klammer-Wilhelm:
Tiefenpsychologische Gruppenarbeit mit Jugendlichen in Kombination mit Einzeltherapie in der ambulanten Praxis

Claudius Stein:
Krisenintervention und KIP

Beate Steiner:
Das "innere Kind" in der Psychotraumatherapie

Helmut Rießbeck:
Ego States, EMDR, Imaginationen: ein neues "Bermuda-Dreieck" in der Traumatherapie

Suzanne Claire Cottier:
Coaching: Führungsprozesse imaginativ begleiten


Prozessforschung

Michael Stigler, Dan Pokorny:
Auf der Suche nach den frühen Spuren - Die Aktivierung des Primärprozesses als Wirkfaktor der Imagination


Spezielle Themen

Renate Sannwald, Ulrich Bahrke:
Kindheit und Jugend in Ost und West - Eine paradigmatische Erkundung zur Reflexion der Auswirkungen auf die therapeutische Haltung und den therapeutischen Prozess

Wolfgang Ladenbauer:
Tibetischer Schamanismus aus der Sicht eines KIP-Therapeuten

 

Rezension zu diesem Buch:

von Wilfried Dieter (Würflach)
(publiziert in "Imagination" (Facultas Wien))

Das zu besprechende Buch und seine HerausgeberInnen hatten es im Vorfeld der Entstehung und des Erscheinens des Werkes nicht leicht. Es handelt sich um die in Buchform versammelten wichtigsten Texte, die im Jahre 2007 beim Prager Kongress der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Katathymes Bilderleben (IGKB) vorgetragen worden waren. In den Jahren nach der politischen Wende in Osteuropa war die IGKB durch mittel- und osteuropäische Fachgesellschaften beträchtlich angewachsen. Dieser Tatsache wollte man durch die Vergabe des Kongresses 2007 an die tschechische Fachgesellschaft Rechnung tragen. Der Kongress fand zweisprachig statt, und umso bedauerlicher ist es, dass der vorliegende Sammelband nur eine einzige Arbeit eines tschechischen Autors enthält. Alle anderen Artikel stammen von westeuropäischen Therapeutinnen und Therapeuten, während die mittel- und osteuropäischen Beiträge anderweitig publiziert wurden. Die vier HerausgeberInnen haben eine aufwendige Sichtung und Bewertung der eingereichten Arbeiten vornehmen müssen und jede/jeder der vier ist für andere Bereiche verantwortlich und verdient hohe Anerkennung. Ich werde als Rezensent meine eigenen ganz subjektiven Eindrücke über eine Auswahl der abgedruckten Arbeiten wiedergeben, ohne damit irgendetwas Negatives oder Kritisches gegenüber den nicht erwähnten Arbeiten zum Ausdruck bringen zu wollen.

Dass Monika Bürgi-Kraus als erstgenannte Herausgeberin geführt wird, ist nicht nur der alphabetischen Reihenfolge unter den vier HerausgeberInnen geschuldet, sondern vor allem ihrer herausragenden Rolle als Schweizerin und gebürtige Tschechin, die zur Hauptinitiatorin für die Entwicklung von Ausbildungsgängen in Katathym Imaginativer Psychotherapie (KIP) in Mittel- und Osteuropa über einen Zeitraum von beinahe zwanzig Jahren wurde. Ohne den Aufbau von KIP-Ausbildungszentren in Mittel- und Osteuropa hätte es den Kongress in Prag nicht gegeben und damit auch nicht das zu besprechende Buch "Entwicklung in der Imagination - Imaginative Entwicklung".

Die einzelnen Artikel stehen alle auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, so dass es mir als Rezensenten schwer fällt, die eine oder andere Arbeit speziell hervorzuheben. Die HerausgeberInnen haben die vielen Beiträge geschickt zu Gruppen mit eigenen Etiketten geordnet (von mir als "Sektionen" bezeichnet), so dass man sich beim Durchblättern des Inhaltsverzeichnisses bereits sehr gut orientieren kann und weiß, was einen als Leser an welcher Stelle erwartet. Ich werde auf die einzelnen Sektionen dergestalt eingehen, dass ich aus den größeren Sektionen mehrere, aus den kleineren Sektionen nur einen Beitrag herausgreife und zu würdigen versuche. Alle Kapitel des Buches in gleicher Weise und in gleichem Umfang zu besprechen, würde den Rahmen einer Buchbesprechung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift weit überschreiten.

Die beiden Hauptvortragenden, Dieter Bürgin aus Basel und Andreas Hamburger aus München, vermitteln modernes psychoanalytisches Wissen ("Beiträge aus der psychoanalytischen Theorie"). Bürgins Thema ist die "Entwicklung triadischer Beziehungen", während Hamburger die Renaissance der Arbeit mit Träumen in der Psychoanalyse mit "Traumerzählung und Zeit in der psychoanalytischen Sitzung" dokumentiert und demonstriert.

Im Rahmen der Sektion "Theoretische Überlegungen und klinische Anwendungen der KIP", welche die mit Abstand größte Sektion des Buches bildet, stellt Bernhard Brömmel in schnörkellosem, gut verständlichem Englisch die Grundzüge der Transference Focussed Psychotherapy (TFP) dar und weist auf Möglichkeiten hin, wie dieser störungsspezifische psychodynamische Ansatz für die Behandlung von Borderline-Störungen die KIP ergänzen und bereichern kann, gerade bei der Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen. Bedauerlich ist, dass Brömmels Beitrag nicht ins Deutsche übersetzt wurde, auch wenn sicherlich die meisten LeserInnen die englische Sprache beherrschen.

Barbara Hauler und Harald Ullmann stellen unter "Sex and Gender" den "kleinen Unterschied und seine Folgen für die KIP" dar. Ich finde die von den beiden AutorInnen gezeigten neurowissenschaftlichen Unterschiede und vor allem die Herausarbeitung des Gegensatzpaares "Instrumentalität" (Männer) und "Expressivität" (Frauen) hoch interessant. Auf diesem Hintergrund arbeiten Hauler und Ullmann geschlechtsspezifisches Gesundheit- und Krankheitsverhalten ebenso ab wie behandlungstechnische Empfehlungen für die Integration des Gegensatzpaares mit Hilfe der KIP.

Mathilde Pichler gibt eine sehr präzise Übersicht über den Zusammenhang von (v. a. inneren) Objektbeziehungen, Symbolisierungsfähigkeit und psychosomatischen Erkrankungen. Mit kleinen Anschauungsbeispielen stellt die Autorin mit leichter Hand, wie nebenbei, eine moderne Systematik der psychosomatischen Störungen auf, die sehr informativ und hilfreich für KIP-TherapeutInnen sein kann, weil sie immer auf die Symbolisierungsstörung als Basis dieser Erkrankungen fokussiert.

Monika Schnell führt eine bisher völlig vernachlässigte Dimension in die Betrachtung von Imaginationen ein, nämlich die "ästhetische Dimension". Sie zeigt, wie aus der Atmosphäre, der Stimmung einer Imagination auf das "ungedachte Bekannte" (Bollas 1997) geschlossen werden kann und wie die "Anwesenheit von etwas" ein wichtiger Wirksamkeitsfaktor der Arbeit mit Imaginationen am frühen Symbolisierungsprozess sein kann. Es geht dabei vor allem um eine "interessierte Figur" (Alvarez 2003) oder ein "Verwandlungsobjekt" (Bollas 1997). Diese Arbeit finde ich ausgesprochen innovativ und für zukünftige Fragestellungen wegweisend.

Aus der Sektion "Demonstrationen der therapeutischen Praxis der KIP" greife ich die Arbeiten von Leonore Kottje-Birnbacher und von Monika Bürgi-Kraus heraus. Der Text von Kottje-Birnbacher ist vom Titel her einer der anspruchsvollsten des ganzen Buches, zu Recht. Sie stellt eine Fallgeschichte knapp formuliert vor und zeigt dann die Vielzahl der Wirkdimensionen der KIP in der Behandlung. Der Titel "Das therapeutische Potential der KIP" ist nicht zu hoch gegriffen, weil wirklich beinahe die gesamte Potenz der KIP (Affektbearbeitung, Beziehungsgestaltung, Symbolisierungsfähigkeit u. v. a.) in aller Anschaulichkeit anhand des klinischen Beispiels sichtbar gemacht wird. Der Beitrag von Bürgi-Kraus ("Die Tochter des Schweigens") ist kürzer und aus anderen Gründen sehr lesenswert. Thema ist die spezifische Trauma-Übertragung auf die zweite und dritte Generation nach dem Holocaust. Das Verdienst der Autorin besteht meiner Ansicht nach vor allem in der detaillierten und damit lehrreichen Darstellung der praktischen Arbeit mit konkreten und imaginativen Symbolen im Rahmen einer "erweiterten" KIP.

Die Sektion "Besondere Anwendungsgebiete der KIP" versammelt eine recht große Anzahl kürzerer lesenswerter Arbeiten. Ein Beispiel dafür ist "Das innere Kind in der Psychotraumatherapie" von Beate Steiner. Sie stellt ein zentrales Motiv der KIP-Therapie mit traumatisierten Menschen, seine psychodynamischen Hintergründe und seine therapeutische Handhabung dar. Eine Sonderstellung in dieser Sektion nimmt der Artikel von Claudius Stein mit dem Titel "Krisenintervention und KIP" ein. Zum einen handelt es sich dabei um eine Art Übersicht über den momentanen Stand des Wissens und der Behandlungstechnik bezüglich der Krisenintervention unter Einsatz der KIP, was ganz sicher rechtfertigt, dass die Arbeit die umfangreichste des ganzen Buches ist. Zum anderen werden "Krise", "Krisenintervention", "Indikation für KIP in der Krise" und behandlungstechnische Hinweise auf eine didaktisch hervorragende Weise präsentiert. Der Text von Stein könnte eine Art Handbuchartikel zum Thema sein.

Die Sektion "Prozessforschung" wird nur durch einen einzigen, allerdings sehr gehaltvollen und kreativen Artikel zur KIP-Forschung von Michael Stigler und Dan Pokorny repräsentiert. Gerade solche Arbeiten zur Prozessforschung sind fast immer bei den Publikationen über die Wirkmechanismen der Imagination bzw. über die Effizienz der KIP als psychotherapeutisches Verfahren unterrepräsentiert. Um so wichtiger erscheinen mir die Befunde von Stigler und Pokorny, dass die Arbeit mit der KIP primärprozesshaftes Erleben fördert und damit einen verbesserten Zugang zur blockierten und damit krank machenden Emotionalität der PatientInnen ermöglicht.

Die letzte Sektion des Buches "Spezielle Themen" enthält eine nicht nur wissenschaftlich, sondern auch zeitgeschichtlich interessante Arbeit von Renate Sannwald (aus der alten BRD stammend) und Ulrich Bahrke (aufgewachsen in der ehemaligen DDR) mit dem Titel "Kindheit und Jugend in Ost und West - Eine paradigmatische Erkundung zur Reflexion der Auswirkungen auf die therapeutische Haltung und den therapeutischen Prozess." Die zweite Arbeit aus der Sektion "Spezielle Themen" ist die letzte des Buches. Sie heißt "Tibetischer Schamanismus aus der Sicht eines KIP-Therapeuten" und stammt von Wolfgang Ladenbauer. Der Autor, ein intimer Kenner Tibets und verschiedener Spielarten des Schamanismus in diversen kulturellen Umgebungen, verweist auf Trance und Imagination als Gemeinsamkeit zwischen KIP und Schamanismus. Der Artikel ist spannend zu lesen und zeigt mit einigen eindrucksvollen Farbphotos konkretes schamanistisches Tun und Erleben. Ladenbauer vergisst an keiner Stelle seines Textes die Warnung an die Leserinnen und Leser, den Schamanismus keinesfalls aus seinem kulturellen und religiösen Kontext herauszubrechen, um schwere Missverständnisse oder gar Schaden für die Betroffenen zu vermeiden.

Als abschließende Würdigung möchte ich festhalten, dass es sich bei "Entwicklung in der Imagination - Imaginative Entwicklung" um ein mit beinahe 350 Seiten recht umfangreiches Buch handelt, das allemal sein Geld wert ist. Es stellt eine gut ausgewogene Mischung von Übersichtsartikeln, Artikeln zum "state of the art" und Anregungen zur wissenschaftlichen Fundierung und Weiterentwicklung der Psychotherapiemethode KIP dar. Es ist sowohl ausgebildeten KIP-TherapeutInnen als auch allen AusbildungskandidatInnen für KIP (aber auch für Hypnosepsychotherapie und Autogene Psychotherapie) ausdrücklich zu empfehlen.


Literatur:

Alvarez, A. (2003): Sich die Realität vorstellen: Die Bedeutung von Spiel und positiven Erfahrungen für geistiges Wachstum. Analytische Psychologie 34: 156 - 172. Basel: Karger

Bollas, C. (1997): Der Schatten des Objekts. Das ungedacht Bekannte. Zur Psychologie der frühen Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta


2008, 352 Seiten, ISBN 978-3-89967-460-6, Preis: 35,- Euro




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