Gerade Jugendliche mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben sehr unterschiedliche Zugänge zur Musik. Einige bevorzugen den reinen Rhythmus, andere suchen beruhigende Melodien. Im Laufe des musiktherapeutischen Prozesses sind sie immer besser in der Lage, sich durch Improvisation musikalisch auszudrücken und diese formal zu strukturieren. So fällt es leichter, die gespaltenen Teile ihrer Persönlichkeit ins Gesamtbild zu integrieren und dementsprechend therapeutisch zu behandeln.
Neurotische Jugendliche sind sich ihres schöpferischen Potentials oft gar nicht bewusst. Wenn ihnen die Flexibilität und Freiheit, die sich in ihren musikalischen Improvisationen zeigt, vor Augen geführt wird, haben sie erstmals die Möglichkeit, diese auch auf andere Bereiche ihres Lebens auszudehnen.
Die destruktiven Tendenzen vieler psychisch kranker Jugendlicher sind häufig Ausdruck einer Hoffnungslosigkeit, die wiederum negativen Einfluss auf die Selbstachtung haben kann. Die musikalische Improvisation verbindet ästhetische Freude mit der Genugtuung über neu erworbene Fähigkeiten – sie haben etwas Neues geschaffen – und kann deshalb als stark aufwertende Erfahrung verbucht werden.
So ist die musikalische Improvisation vor allem heilsam für die Jugendlichen, weil sie an eine Zeit erinnert, „in der die Wahrnehmung der Töne, der Tasteigenschaften und der Bewegungen die bevorzugten Modalitäten zur Erfahrung der Anderen waren“.
Prof. Schiltz hat ausschließlich positive Erfahrungen mit dem Einsatz von Improvisation innerhalb einer Musiktherapie gemacht und empfiehlt weitere Studien zu noch ungeklärten Fragen über die Wirkung der Musik auf psychische Störungen.
Literatur
Lony Schiltz: Die musikalische Improvisation als Ausdruck der Persönlichkeitsstruktur jugendlicher Patienten
In: Daniel Sollberger, Ulrich Kobbé, Thomas Röske, Erik Boehlke (Hrsg.), Impulsgeber Prinzhorn (S. 224–233)
Pabst 2018, ISBN 978-3-95853-463-6
zum Buch im Shop