Agel berichtet über einen Ausnahmefall: Eine junge Türkin, von ihrem Vater regelmäßig sexuell belästigt, ging mit einem anderen Mann ein nichteheliches Verhältnis ein und lebte in westeuropäischen Maßstäben. Eine Zwangsverheiratung mit einem "genehmen" türkischen Mann gehörte zum Drohszenario von Vater und Bruder. Die 18jährige fürchtete, dass die Familie ihr Verhalten als Verletzung der "Familienehre" betrachtete und daher einen Ehrenmord plante. Dem wollte sie zuvorkommen - und erschoss den Vater. In diesem wie in den meisten anderen Fällen verläuft die Konfliktlinie nicht zwischen Mann und Frau; vielmehr sind es häufig Mütter, die die männlichen Familienmitglieder zur tödlichen "Ehrenrettung" auffordern.
Ein großer - wahrscheinlich der größte - Teil der "Ehrenmorde" bleibt unaufgeklärt und ungesühnt, wie z.B. das Schicksal von Rokstan M.: Als 17jährige war Rokstan M. in Syrien von Milizionären mehrfach vergewaltigt worden und galt seither als "beschmutzt". Die Familie floh nach Deutschland und kam in Dessau (Sachsen-Anhalt) unter. Rokstan M. verliebte sich in einen Mann und wurde schwanger. Einer Freundin vertraute sie an, dass ihre Mutter einen "Ehrenmord" wünscht. Wenig später, 2015, wurde die Leiche von Rokstan in der Kleingartenanlage ihrer Eltern gefunden. Der Vater war bereits in Syrien verschwunden ...
Literatur zum Thema
Carina Agel: (Ehren-)Mord in Deutschland.
Eine empirische Untersuchung zu Phänomenologie und Ursachen von "Ehrenmorden" sowie deren Erledigung durch die Justiz
Pabst, 360 Seiten, ISBN 978-3-89967-861-1
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